Zentrale, pontine Myelinolyse
Synonyme: CPM, zentrale, pontine Myelinose, Alkoholschäden und Krankheiten des Nervensystems
Definition
Zentrale, pontine Myelinolyse
Die zentrale, pontine Myelinolyse ist eine Demyelinisierung bzw. Nekrose in den ventralen Anteilen des Pons (Brücke im Hirnstamm) oder seltener in Thalamus, Corpus callosum, Capsula interna und Kleinhirn.
Prädisponierend sind rasche Elektrolytschwankungen, v. a. im Rahmen der Korrektur einer Hyponatriämie (meist zwischen 110 und 115 mmol/l) oder bei Entwicklung einer akuten Hypernatriämie.
Zentrale, pontine Myelinolyse
Ätiologie
Zentrale, pontine Myelinolyse
Die Ursachen der zentralen, pontinen Myelinolyse sind:
- Hyponatriämie, häufig bei Alkoholikern, aber auch medikamentös etc. bedingt; in Zusammenhang mit
- starken Schwankungen der Gewebeosmolarität im Gehirn, besonders bei zu schnellem Ausgleich einer Hyponatriämie, meist zwischen 110 und 115 mmol/l, die mehr als 2 Tage bestand (so lange braucht das Gehirn, um sich an die veränderte Osmolarität anzupassen)
- meist bei einer Senkungsrate von mehr als 20 mmol/l in den ersten 24 Stunden. Selten bei einer Senkungsrate kleiner 10-12mmol/l in den ersten 24 Stunden [3] oder bei Überkorrektur > 140 mmol/l [4]
- besondern in Teilen des Gehirns, die am langsamsten sind, die fehlenden Osmolyte (bei Hyponatriämie) wieder anzusammeln [2]
- die zentrale pontine Myelinolyse kann aber auch nach Hypokaliämie, rascher Korrektur einer Hypokaliämie, Verbrennungen, bei Schwangerschaftserbrechen, akuter Porphyrie, Akutbehandlung der Anorexia nervosa auf der Intensivstation oder im Rahmen von ZNS-Infekten auftreten
Zentrale, pontine Myelinolyse Epidemiologie zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Epidemiologie
Zentrale, pontine Myelinolyse
Genaue epidemiologische Daten zur zentralen, pontinen Myelinolyse sind zur Zeit nicht verfügbar.
Zentrale, pontine Myelinolyse Differentialdiagnosen zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Differentialdiagnosen
Zentrale, pontine Myelinolyse
Zentrale, pontine Myelinolyse Anamnese zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Anamnese
Zentrale, pontine Myelinolyse
Bei der zentralen, pontinen Myelinolyse sind folgende Informationen von Bedeutung:
- Korrektur einer Hyponatriämie? Wann?
- Desorientierung?
- nach 2-6 Tagen Augenmotilitätsstörungen, para- und tetraparetische Symptomatik, Schluckstörung, Hirnnervenausfälle?
- vorliegendes Tumorleiden?
- Morbus Wilson?
- Alkoholismus?
Zentrale, pontine Myelinolyse Diagnostik zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Diagnostik
Zentrale, pontine Myelinolyse
Zur diagnostischen Abklärung zur zentralen, pontinen Myelinolyse sind relevant:
- Hinweise auf einen Alkoholismus bzw. ein soeben durchgemachtes Alkoholdelir
- Labor: Hyponatriämie in der Vorgeschichte, evtl. korrigiert; oder akute Hypernatriämie
- MRT: Entmarkung der ventralen Brücke unter Aussparung des Tractus corticospinalis und evtl. extrapontiner Lokalisationen (Thalamus, Capsula interna, Corpus callosum, Kleinhirn). Meist erst sichtbar nach ca. 4 Wochen [5]; evtl. schneller sihctbar mit diffusionsgewichteten Aufnahmen [6]!
Zentrale, pontine Myelinolyse Klinik zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Klinik
Zentrale, pontine Myelinolyse
Nach 2-6 Tagen der Korrektur der Hyponatriämie folgen die Symptome der zentralen, pontinen Myelinolyse:
- Hirnnervenausfälle (insbesondere Augenmuskelparesen)
- progrediente Para- oder Tetraparese
- Dysarthrie
- Dysphagie
- Verhaltensauffälligkeiten, Verwirrung
- Lethargie
- Koma
- selten Krampfanfälle [1]
- Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
Zentrale, pontine Myelinolyse Therapie zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Therapie
Zentrale, pontine Myelinolyse
Die therapeutischen Möglichkeiten bei der zentralen, pontinen Myelinolyse umfassen folgendes:
- allgemein- intensivmedizinische Maßnahmen und Substitution von Vitamin B1
- es gibt Fallstudien, in denen eine aggressive Plasmapherese unmittelbar nach Diagnosestellung die klinische Symptomatik begrenzen oder verhindern konnte [7,8], wobei nicht beurteilt werden kann, ob die neurologischen Defizite ohne Plasmapherese permanent gewesen wären.
- erst nach 6-8 Wochen optimaler intensivmedizinischer Behandlung kann von bleibenden neurologischen Defiziten gesprochen werden [9]!
Grundsätzliches zur Korrektur der Hyponatriämie:
- Bei Natrium < 120 mmol/l Korrektur von maximal 10 mmol/l in 24h bzw. 18 mmol/l in 48h [4]
- Überprüfung des Natriumwertes alle 2-3h
- Überprüfung des Urinvolumens und ggf. der Osmolalität
- bei Patienten, die den Natriumwert schneller als erwartet korrigieren (Ziel weniger als 0,5 mmol/l pro Stunde), dieser aber noch nicht über 10-12 mmol/l in den ersten 24h oder 18 mmol/l in den ersten 48 Stunden gestiegen sind, liegt oft eine Wasserdiurese vor, da der Stimulus der vermehrten ADH-Freisetzung nachlässt.
- hierbei kann Desmopressin 2-4 mcg i.v. oder s.c. helfen, eine überschnelle Natriumkorrektur zu verhindern
- nicht bei Patienten, die sich nicht an eine verminderte Wasserzufuhr halten können
- nicht bei hyperakuter Hyponatriämie bei zu schneller Wasseraufnahme, z.B. bei Marathonläufern,
- entweder Desmopressin-Gabe alle 6-8h, wenn nötig mit hypertoner NaCl-Infusion, um den Anstieg zu kontrollieren [10]
- oder einmalige Dosis und dann evtl. wiederholen, wenn Na-Anstieg zu schnell oder vermehrte Diurese
- dabei auf jeden Fall Kontrolle der Urinmenge stündlich und Natrium-Kontrolle alle 2-3 Stunden!
Bei zu schneller Korrektur der Hyponatriämie (>10-12 mmol/l in den ersten 24h oder 18 mmol/l in den ersten 48 Stunden):
- Desmopressin 2-4 mcg i.v. oder s.c.
- plus D5W (5%ige Dextroselösung in Wasser), Rate 6ml/kg KG über 1-2h
- => Reduktion des Natriums um ca. 2 mmol/l
- evtl. alle 6-8h wiederholen, bis unter den Wert der Überkorrektur
Zentrale, pontine Myelinolyse Komplikationen zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Komplikationen
Zentrale, pontine Myelinolyse
Bei der zentralen, pontinen Myelinolyse kommen folgende Komplikationen vor:
- Locked- In Syndrom
- Koma
- schwere Hirnstammsyndrome, Tod
Zentrale, pontine Myelinolyse Zusatzhinweise zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Zusatzhinweise
Zentrale, pontine Myelinolyse
- Differentialdiagnostisch sind Ponsinfarkte abzugrenzen, die typischerweise keilförmig sind, meistens nur einseitig auftreten und im Diffusions-MRT anfangs eingeschränkte Wasserdiffusion zeigen
Zentrale, pontine Myelinolyse Literaturquellen zu:
Zentrale, pontine Myelinolyse
Literaturquellen
Zentrale, pontine Myelinolyse
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(1994) Sterns RH, Cappuccio JD, Silver SM, Cohen EP - Neurologic sequelae after treatment of severe hyponatremia: a multicenter perspective -J Am Soc Nephrol. 4(8):1522-30.
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(2004) Yeates KE, Singer M, Morton AR - Salt and water: a simple approach to hyponatremia - CMAJ. 170(3):365-9.
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81992) Soupart A, Penninckx R, Stenuit A, Perier O, Decaux G - Treatment of chronic hyponatremia in rats by intravenous saline: comparison of rate versus magnitude of correction - Kidney Int. 41(6):1662-7.
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(1987) Sterns RH - Severe symptomatic hyponatremia: treatment and outcome. A study of 64 cases - Ann Intern Med. 107(5):656-64.
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(1993) Karp BI, Laureno R - Pontine and extrapontine myelinolysis: a neurologic disorder following rapid correction of hyponatremia - Medicine (Baltimore). 72(6):359-73.
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- (2006) Poeck, Hacke - Neurologie - Springer Verlag
- (2007) Berlit P - Basiswissen Neurologie - Springer
- (2007) Masuhr K.F.,Neumann M - Neurologie,6. Aufl. - Thieme Verlag, Duale Reihe
- (2007) Buchner H - Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen - Thieme
- (2006) Poeck, Hacke, - Neurologie - Springer, Berlin
- (2006) Mumenthaler M, Mattle H, - Kurzlehrbuch Neurologie - Thieme Verlag
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