Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Synonyme: Schlaganfall, Apoplex, TIA, PRIND, Hirninfarkt, Transitorische ischämische Attacke
Definition
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Bei der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien handelt es sich um einen akuten Verschluss der extrakraniellen oder intrakraniellen Hirnarterien.
Die drei Stadien:
- asymptomatische Stenose der Hirnarterien
- TIA = transistorische ischämische Attacke: anfallsweise auftretende, kurzdauernde, reversible neurologische Ausfälle. Bilden sich meist innerhalb von Minuten, spätestens nach 24h zurück. Fast die Hälfte aller Betroffenen erleidet später einen Schlaganfall
- kompletter Hirninfarkt mit partieller oder fehlender Rückbildung neurologischer Ausfälle
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Ätiologie
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Die Ursachen der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien sind:
- Arteriosklerose
- arterielle Thrombose
- arterielle Embolien aus dem linken Herzen z.B. bei Mitralvitien, Herzinfarkt, Vorhofflimmern, bakterieller Endokarditis
- Vaskulitiden
Extrakraniell: Arterien zwischen Aortenbogen und Schädelbasis (supraaortale Äste des Aortenbogens)
- Truncus brachiocephalicus, A. subclavia, A. vertebralis, A. carotis com. + int.
- häufigste: carotis int.(50%), Prädilektionsstelle Carotisgabel
Intrakraniell:
- Circulus arteriosus Willisi + abgehende Hirnarterien
- häufigste: A. cerebri media (25%)
Apoplex:
- Untergang von Hirngewebe infolge umschriebener akuter Durchblutungsstörung
- gekennzeichnet durch plötzlich einsetzendes, fokal-neurologisches Defizit vaskulärer Ursache
- keine sichere Differenzierung zwischen ischämischem Hirninfarkt (80%) + hämorrhagischem Schlaganfall (20%)
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Epidemiologie zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Epidemiologie
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Zur Epidemiologie der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien liegen folgende Daten vor:
- 80-85% aller Fälle: Ischämie
- 15-20% aller Fälle: Hämorrhaghie
- Dritthäufigste Todesursache in Industrieländern (nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs)
- Inzidenz: 1,74:1000 Einwohner
- Erkrankungsgipfel: Männer: 70 Jahre, Frauen: 75 Jahre
- 19,4% der Schlaganfall-Patienten sterben innerhalb des ersten Monats, 28,5% sterben innerhalb der ersten 3 Monate und 37% innerhalb des ersten Jahres
- Nach einer TIA erleiden 10% der Patienten innerhalb der ersten beiden Tage einen Schlaganfall und weitere 15% in den ersten 14 Tagen.
- Bei 20-50% aller Patienten kann unmittelbar nach einer TIA eine cerebrale Läsion im MRT festgestellt werden
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Differentialdiagnosen zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Differentialdiagnosen
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
- Neurolues
- Chronisches Subduralhämatom
- Hypoglykämie und hypoglykämischer Schock
- Frühsommer-Meningoenzephalitis
- Enzephalitis
- Kopfschmerz und Migräne
- Sinusvenenthrombose
- Traumatische Subarachnoidalblutung
- Frühsommer-Meningoenzephalitis
- Akute Subarachnoidalblutung
- Migräne-assoziierter Schlaganfall
- Migräne mit Aura
- Migräne ohne Aura
- Epilepsie (Begleiterkrankungen bei Operationen)
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Anamnese zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Anamnese
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Bei der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien sind folgende Informationen von Bedeutung:
- Welche Symptome liegen vor und wie lange?
- Plötzliches Auftreten?
- Einseitiges Auftreten der Symptome?
- Schwäche von Armen/Beinen?
- Sprachstörungen?
- Sehstörungen?
- Schwindel?
- Gleichgewichtsprobleme?
- Kopfschmerzen?
- Bewußtseinsstörung?
- Schädelverletzung?
- Medikamenteneinnahme?
- Risikofaktoren bekannt (Hoher Blutdruck, Nikotin, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes)?
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Diagnostik zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Diagnostik
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Zur diagnostischen Abklärung der transistorisch-ischämischen Attacke sind relevant:
Präklinisch
- Anamnese
- neurologischer Defizitbefund
- Blutdruck
- Auskultation der Thoraxorgane
- Blutzucker
- EKG/Kardioskopie
Cincinnati Prehospital Stroke Scale:
- Auffordern zu lächeln (Facialisparese)
- Arme mit offenen Handflächen ausstrecken lassen (Armparese)
- Einen Satz nachsprechen lassen (Aphasie)
Klinisch
- Standardisierte Anamnese
- neurologische Untersuchung
- kranielles CT oder MRT (Differenzierung zwischen hämorrhagischem und ischämischem Infarkt)
- Extra- und transkranielle Dopplersonografie
- Echokardiografie
- EEG
- Labor: BB, Gerinnung, Elektrolyte, ggf. Drogenscreening
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Klinik zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Klinik
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Die arterielle Verschlusskrankheit der Hirnarterien kann folgende Symptome zeigen:
Stadium 1: Symptomlos
Stadium 2 (TIA):
- Sehstörung (z.B. Gesichtsfeldausfall, Erblindung, Doppelbilder)
- Neglect
- Schwindel, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen
- Taubheit
- Lähmungen von Armen, Beinen, Gesicht oder ganzer Körperpartien
- Verwirrung, Verständnis- und Orientierungsstörungen
- Kopfschmerz
- Rückbildung der Symptome innerhalb von 24 Stunden
Stadium 3 (Apoplex):
Symptome wie im Stadium 2. Je nach Lokalisation des Verschlusses treten spezifische Symptomkomplexe auf.
extrakraniell:
A. Carotis int.(50%):
- bei guter Kollateralisierung können einseitige Verschlüsse symptomlos sein
- einseitige Amaurosis fugax typisch
- Hirninfarkte führen zu kontralateralen sensomotorischen Hemiparesen mit Reflexabschwächung
- später Spastik mit Reflexsteigerung + positiven Pyramidenbahnzeichen (Babinski)
- Bei großen Infarkten zusätzlich Sprach- und Bewusstseinsstörungen, ggf Kopf/Blickwendung zur Infarktseite
Vertebralis basilaris Typ (15%):
- Drehschwindel, Sturzattacke, Nystagmus, Erbrechen, Sehstörungen, Paresen
- A. cerebelli inf. post. = PICA, Wallenberg Syndrom: ipsilaterale Gaumensegel, Gliedmaßenataxie, Dysmetrie, kontralateral dissoziierte Sensibilitätsstörung für Temp. + Schmerz ab Halsgegend am Rumpf
- Subclavian-steal Syndrom: A. subclavia Verschluss proximal des Vertebralisabgangens, meist symptomlose Umkehr in A. vertebralis, bes. bei zusätzlichen Strombahnhindernissen kann es bei gleichseitiger Armarbeit zu Schwindel + Sehstörungen kommen
- Bei Subclavia Verschluss Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen >20mmHg
intrakraniell:
- am häufigsten: Stromgebiet der A. cerebri media (25%); Symptomatik ähnlich der A. carotis interna (außer Amaurosis fugax)
- Seltener A. cerebri ant., post., A. cerebelli inf.
- akuter Verschluss der A. basilaris führt zu progredienter Bewusstseinsstörung, störungen der Okulo-/Pupillenmotorik, ggf Sehstörungen, Hemiparese, Dysarthrie, Schwindel, Ataxie
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Therapie zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Therapie
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Therapie der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien:
Stadium 1: keine Therapie
Stadium 2 (TIA) und 3 (Apoplex) sind in der Akutphase nicht sicher voneinander zu unterscheiden und werden beide als Notfall behandelt. Die sofortige Einweisung in eine Klinik mit Stroke unit ist angezeigt.
Präklinische Maßnahmen:
Legen eines venösen Zugangs und Sicherung der Vitalfunktionen
Arterielle Hypertonie 2 x in 5 min Abstand messen
- RR < 220/<120 mm Hg: Belassen
- RR > 220/>120 mm Hg: Urapidil 12,5 mg i.v.
- RR > XXX/>140 mm Hg: Nitroglycerin Spray 2 Hub
Arterielle Hypoptonie RR < 100/XXX mm Hg
- Flüssigkeit substituieren
Blutzuckertest
Bei Hypoglykämie < 80 mg%:Glucose 40% 30 ml i.v.
Hypoxie - Therapie bei Verdacht, keine COLD
- Sauerstoff nasal 4l/min
- Pulsoxymetrie O2-Sättigung > 95% halten
Exsikkose - Verdacht
- NaCl 0,9% 500 ml i.v.
Krampfanfall ohne spontanes Sistieren
- Clonazepam 1-2 mg i.v.
Folgende Maßnahmen sind kontraindiziert:
- Heparin, ASS, Clopidogrel
- Steroide
- Nimodipin
- Hypo- und isovolämische Hämodilution
- I.M.-Injektionen
Therapie in der Klinik:
Intravenöse Lysetherapie:
- i.v. Thrombolyse in ersten 3h nach Insultbeginn, (nach CT, Fehlen früher Infaktzeichen, Ausschluss KI)
- Streptokinase: initial 250,000 IE i.v. über 30 min, danach 100,000 IE/h i.v. bis zur erfolgreichen Lyse (1-3 bis max. 5 Tage lang)
- Tenecteplase: 1 x 30 mg (KG < 60kg) bis 50 mg (KG > 90kg) tgl i.v.
- Alteplase (rt-PA): 15 mg Bolus i.v., dann 85 mg i.v. kontinuierlich über 2h (bei Gewicht < 65 kg 1,25 mg t-PA/kg)
- Reteplase (r-PA): 2 x 10 IE i.v. im Abstand von 30 min
Intraarterielle Lysetherapie (Zeitfenster 6 Stunden):
- Alteplase (rt-PA): 15 mg in die linke und 15 mg in die rechte Hirnarterie, wenn weitere Lyse erforderlich: kontinuierliche Infusion von rt-PA bis zu 100 mg über 2h
Karotis-Desobliteration: evtl. innerhalb der ersten 6 Stunden
Anti-Koagulation:
- Heparin: 5,000 IE i.v. als Bolus, dann 30,000-35,000 IE i.v. oder s.c./d oder 2 x 500 IE/kg/24h über einige Tage
Rehabilitation:
Nach der Akutphase sollte eine Rehabilitation erfolgen, um die Wiedereingliederung des Patienten in den Beruf zu ermöglichen und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
- Physiotherapie
- Physikalische Therapie
- Ergotherapie
- Logopädische Therapie
- evtl. Psychotherapie
Präventionsmaßnahmen:
- Auf den Patienten abgestimmte Präventionsmaßnahmen sind Teil einer langfristigen Therapie.
- Rauchentwöhnung
- Senkung einer Hypertonie
- Therapie des Diabetes mellitus
- Sportliche Betätigung
- Gewichtssenkung
- Moderater Alkoholgenuß hat bei Männern nachweisbar einen protektiven Effekt (bei Frauen ist die Datenlage noch unklar)
Antithrombotische Therapie:
- ASS: 100 mg/d p.o.
- Clopidogrel: 1 x 75 mg/d p.o.
- Ticlopidin: 2 x 250 mg/d p.o.
- Cumarine nur bei hohem Risiko indiziert
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Komplikationen zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Komplikationen
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Bei der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien können folgende Komplikationen auftreten:
- Tod (Klinikletalität ca 5%)
- Irreversible neurologische Defizite (z.B. Paresen, Sprachstörungen, Inkontinenz usw.)
- Depressionen
- Pflegebedürftigkeit
Prognose nach dem 1. Apoplex:
- ca 1/3 der Überlebenden ohne weitere Einschränkungen
- ca 1/3 mit Einschränkungen
- ca 1/3 pflegebedürftig
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Zusatzhinweise zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Zusatzhinweise
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Zur arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien liegen folgende Zusatzinformationen vor:
- 25% aller apoplektischen Insulte beruhen auf einer Stenose der extrakraniellen Hirnarterien, mit meist arteriosklerotischem Ursprung
- Aufgrund der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft wird mit einer starken Zunahme von Schlaganfällen in den kommenden Jahrzehnten gerechnet.
- Die klassische Differenzierung zwischen TIA, PRIND und Apoplex wird immer weniger verwendet. Stattdessen wird stärker auf eine pathophysiologische Einteilung gesetzt, da neuere Studien gezeigt haben, dass auch bei kurzfristig auftretender Symptomatik in der Regel bereits dauerhafte Hirnläsionen nachweisbar sind. Bei Einführung einer neuen offiziellen Klassifizierung werden auch die Informationen auf Med2Click aktualisiert.
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien Literaturquellen zu:
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
Literaturquellen
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
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- (2006) Roche - Lexikon Medizin - Urban & Fischer
- (2006) Weylandt K, Klinggräff P - DDInnere Kurzlehrbuch der Inneren Medizin und differentialdiagnostisches Kompendium - Lehmanns Media
- (2009) Arasteh K, Baenkler H W, Bieber C - Innere Medizin. Duale Reihe - Thieme Verlag
- (2009) Herold G - Innere Medizin 2010 - Gerd Herold Verlag
- (2008) Renz-Polster H, Krautzig S - Basislehrbuch Innere Medizin - Elsevier Verlag
- (2007) Piper W - Innere Medizin - Springer Verlag
- (2007) Masuhr K F, Neumann M - Neurologie,6. Aufl. - Thieme Verlag, Duale Reihe
- (2007) Buchner H - Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen - Thieme
- (2007) Bitsch A - Neurologie to go - Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
- (2006) Poeck K, Hacke W, - Neurologie - Springer Verlag
- (2006) Mumenthaler M, Mattle H - Kurzlehrbuch Neurologie - Thieme Verlag
- (2008) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie - Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/030-046.htm >
- (2009) Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin - Schlaganfall: http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/053-011i.htm >
Stadium I der arteriellen Verschlusskrankheit der Hirnarterien
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