Pruritus
Synonyme: Juckreiz
Definition
Pruritus
Unter Pruritus (Juckreiz) versteht man eine als unangenehm empfundene Sinneswahrnehmung der Haut, die ein Bedürfnis zu kratzen mit sich zieht.
Pruritus
Ätiologie
Pruritus
Neurophysiologie des Pruritus:
- physikalische und mechanische Stimulierung und hauptsächlich chemische Mediatoren.
- indirekte Auslösung über die Freisetzung von Histamin.
- teils sind auch psychosomatische und psychische Faktoren beteiligt.
- neurogener Pruritus durch Erkrankungen zentraler Strukturen wie Hirntumore oder Abzesse.
- Pruritus auf primär nicht-entzündlicher Haut, Pruritus sine materia.
- Pruritus auf primär entzündlicher Haut bei inflammatorischer Hauterkrankung (Dermatose, kutanes Lymphom, leukämische Infiltrate).
- sekundäre Kratzartefakte
- Medikamenten-Nebenwirkung möglich
Ursachen für Pruritus können sein:
- Pruritus sine materia
- Hauterkrankungen wie atopische Dermatitis, Psoriasis, Herpes/postzosterische Neuralgie, Porphyrien, Polymorphe Lichtdermatose,
bullöses Pemphigoid, Dermatitis
herpetiformis Duhring - endokrine/metabolische Krankheiten wie Niereninsuffizienz, Hepatopathien v.a. mit Cholestase, Hyper-/Hypothyreose, Hyperparathyreoidosmus, Diabetes mellitus
- bakterielle und virale Infektionen, Helminthen, Parasiten, Skabies, Mykosen, Pediculosis,
Insektenstiche - hämatologische Erkrankungen wie Eisenmangel, Hämochromatose, Polyzythämia vera, essentielle Thrombozytose, myelodysplastisches Syndrom, M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome,
Plasmozytom, systemische Mastozytose - neurologische Erkrankungen wie postzosterische Neuralgie, Neuropathien
- psychiatrische Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie, taktile Halluzinosen
- Angst, Streß, Übermüdung
- Schwangerschaftsdermatosen, Schwangerschaftscholestase
Pruritus Epidemiologie zu:
Pruritus
Epidemiologie
Pruritus
Zur Epidemiologie des Pruritus:
- Der Pruritus ist eine der häufigsten Beschwerden in der Dermatologiepraxis
- Die bisherige Information zur Prävalenz und Inzidenz des Pruritus ist unvollständig
Pruritus Differentialdiagnosen zu:
Pruritus
Differentialdiagnosen
Pruritus
- Diffuse kutane Mastozytose
- Arzneimittelexanthem
- Atopisches Ekzem
- Akute allergische Kontaktdermatitis
- Exsikkationsekzematid
- Lichen ruber planus
- Oxyuriasis
- Skabies
- Tinea manus et pedis
- Tinea capitis
- Zwangsstörungen
- Schizoaffektive Psychosen
- Diabetes mellitus Typ 1
- Diabetes mellitus Typ 2
- HIV-Infektion und AIDS
- Skabies
- Insektengiftallergie
- Akutes Nierenversagen
- Chronische Niereninsuffizienz
- Schizophrene Psychosen
- Zwangsstörungen
- Allergisches Kontaktekzem
- Exsikkationsekzem
- Nierenversagen
- Depression
Pruritus Anamnese zu:
Pruritus
Anamnese
Pruritus
Beim Pruritus sind folgende Informationen von Bedeutung:
- Beginn der Beschwerden?
- Wo ist der Juckreiz lokalisiert? Juckreizqualität? Intensität?
- Kratzeffekte vorhanden?
- Rötungen vorhanden?
- zeitlicher Verlauf (wie lange bestehend? Ab 6 Monaten chronisch)?
- Ist der Juckreiz durch äußere Faktoren beinflussbar (Verschlimmerungsfaktoren)?
- mehrere Familienmitglieder betroffen? Reiseanamnese/Sozialanamnese
- bei körperlicher Aktivität (cholinerg) auftretend?
- Allergien?
- vorbestehende Infektionen?
- bekannte Grunderkrankungen?
- Hauterkrankungen?
- psychiatrische Erkrankungen?
- Nikotinabusus?
- Alkohol-/Drogenabusus?
- Beruf? Freizeitaktivitäten?
- Medikamentenanamnese
Pruritus Diagnostik zu:
Pruritus
Diagnostik
Pruritus
Zur diagnostischen Abklärung des Pruritus sind relevant:
- sorgfältige Anamnese
- Hautinspektion: Hautkolorit, Morphologie, Verteilungsmuster der Effloreszenzen und Hautzeichen systemischer Erkrankungen
- klinische Untersuchung mit Palpation der Leber, Nieren, Milz und Lymphknoten
- laborchemische Diagnostik mit BSG, Blutbild, Differentialblutbild, Kreatinin, Transaminasen, Gamma-GT, AP, Glukose, TSH; im Stuhl: Hämokkulttest, Wurmeier; im Urin: Glukose.
- ggf. auch bildgebende Diagnostik
Pruritus Klinik zu:
Pruritus
Klinik
Pruritus
Der Pruritus wird durch die folgenden klinischen Merkmale gekennzeichnet:
- Hautbefall: generalisiert, umschrieben oder wechselnd
- Hauteffloreszenzen: Kratz- und Scheuerartefakte, kleine Blutungen, hämorrhagische Krusten; bei chronischem Juckreiz: Rötung der betroffenen Hautareale, Krusten, Hyperpigmentierung, Lichenifikation, Pyodermie
- Symptome: quälender Juckreiz; bei chronischem und stark ausgeprägtem Pruritus klagen die Patienten über Schlafstörungen, psychische und physische Erschöpfung, Beeinträchtigung der Lebensqualität, des Allgemeinbefindens; bei Kindern kann der Juckreiz zu Entwicklungsstörungen führen
Pruritus Therapie zu:
Pruritus
Therapie
Pruritus
Therapieprinzipien bei Pruritus:
- Diagnostik und Therapie der Grunderkrankung
- Beseitigung auslösender Faktoren
- symptomatische lokale und systemische Therapie
- ggf. psychosomatische Betreuung
Lokale Therapie:
- konsequentes Eincremen mit rückfettenden Pflegeprodukten (Salben, Cremes, Lotionen).
- medizinische Bäder: rückfettende Bäder, Ölbäder (Mandelöl, Olivenöl, Erdnussöl, Jojobaöl, Sojaöl).
- bei starkem Juckreiz und entzündlichen Hautreaktionen evtl. Anwendung von glukokortikoidhaltigen Externa z.B.: Hydrokortison 0.5% (Salbe, Creme, Lösung; Dosierung bei Erwachsenen und Kindern ≥ 6 Jahre: 1- bis 2-mal täglich, nach Besserung des Krankheitsbildes einmalige Applikation pro Tag; Behandlungsdauer: max. 2 Wochen; bei Kindern < 6 Jahre: Behandlung mit topischen Glukokortikoiden nur nach ärztlicher Verordnung), Prednisolon-Creme 0,25% (1-mal täglich dünn auf die betroffenen Hautarealen auftragen; Behandlungsdauer: max. 2 Wochen), Betamethason-Salbe 0,1% (Dosierung bei Erwachsenen: 1-2-mal täglich dünn auf die erkrankten Hautstellen auftragen, leicht einmassieren. Bei Besserung der Symptomatik: 1 Anwendung/Tag; bei Kindern > 1 Jahr 1 Anwendung/Tag. Behandlungsdauer bei Erwachsenen max. 3-4 Wochen, bei Kindern max. 2 Wochen) oder
- ggf. Begleitmedikation mit H1-Antihistaminika: topische Anwendung in Form von Gelen, Cremes, Sprays: bis zu 3-mal täglich dünn auf die betroffenen Hautarealen autragen und kurz einmassieren; Alternative: Dimentindenmaleat 1mg/ml Lösung, Dosierung: bei Kindern (1–8 Jahren) 3-mal täglich je 10–15 Tropfen, ab 9 Jahren je 20 Tropfen, bei Erwachsenen 3 mal täglich je 20 – 40 Tropfen; oder Dexchlorpheniraminhydrogenmaleat (Tabletten): Dosierung bei Erwachsenen: 3- bis 4-mal ½-1 Tbl. täglich; bei Kindern < 12 Jahre: 3- bis 4-mal ½ Tbl. täglich.
- topisch wirksame Calcineurininhibitoren (wenn lokale Glukokortikosteroide nicht einsetzbar sind z.B. im Gesicht-, Hals- oder Genitalbereich): Tacrolimus 0,03% (ab dem 3. Lebensjahr einsetzbar), Tacrolimus 0,1% (ab dem 17. Lebensjahr) oder Pimecrolimus 1% (in Form von Cremes oder Salben; ab dem 2. Lebensjahr auch bei Kindern zugelassen), bis zu 3 Wochen 2-mal täglich, dann 1-mal täglich (Tumorwarnung der FDA 2005!). Eine Kombination von Calcineurininhibitoren mit Phototherapie wird nicht empfohlen!
- Bei Zeichen einer Superinfektion zusätzlich topisch antiseptisch behandeln (Lösungen, Cremes).
Adjuvante Therapie:
- bei stark ausgeprägtem Pruritus ggf. Phototherapie als Interventionstherapie (nicht für Kinder unter 12 empfohlen; Gefahr der Lichtalterung sowie kanzerogener Spätfolgen): UVA-, UVB-Licht oder 311nm-Licht, PUVA.
Systemische Therapie:
- bei schweren Verlaufsformen evtl. systemische Gabe von Glukokortikosteroiden (kurzfristig als Stoßtherapie; 0,5-1mg/kg KG/Tag Prednisolon) oder längerfristige Therapie mit Immunsuppressiva: Ciclosporin A (2,5-5 mg/kg KG/Tag, ausschleichend 1 mg/kg KG/Tag), Azathioprin oder Mycophenolatmofetil
- Bei deutlichen Zeichen der bakteriellen Superinfektion: systemische antibiotische Kurzzeittherapie (3-5 Tage) mit oralem Flucloxacillin (Standarddosierung: 2-4 g/Tag bei Erwachsenen bzw. 50 mg/kg/Tag bei Kindern, verteilt auf 4-6 Einzeldosen/Tag) oder Cephalosporin (Standarddosierung bei Erwachsenen: 2 x 250-500 mg (z.B. Cefuroxim) bzw. bei Kindern: 20-40 mg/kg/Tag)
- ggf. antimykotische Behandlung mit Itraconazol (Hartkapseln): 100 mg 1- bis 2-mal täglich über 2-4 Wochen
- Mastzellstabilisatoren (antiallergische Wirkung; Anwendung z.B. bei Urtikaria) z.B.: Natriumcromoglicat (in Form von Kapseln): bei Erwachsenen jeweils 2 Kapseln (200 mg Natriumcromoglicat) viermal täglich vor den Mahlzeiten; bei Kindern im Alter von 2–14 Jahren: 1 Kapsel (100 mg Natriumcromoglicat) viermal täglich vor den Mahlzeiten; bei Säuglingen 20 – 40 mg Cromoglicinsäure/kg Körpergewicht täglich, Behandlungsdauer: je nach ärztlicher Verordnung
Pruritus Komplikationen zu:
Pruritus
Komplikationen
Pruritus
Beim Pruritus kommen folgende Komplikationen vor:
- blutig aufgekratzte Hauteffloreszenzen
- bakterielle Superinfektionen
- Narbenbildung
Pruritus Zusatzhinweise zu:
Pruritus
Zusatzhinweise
Pruritus
Zum Pruritus liegen derzeit keine weitere Zusatzhinweise vor.
Pruritus Literaturquellen zu:
Pruritus
Literaturquellen
Pruritus
- (2005) DDG-Leitlinie - Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei chronischem Pruritus
- (2010) Rote Liste
- (2007) Petres, Rompel - Operative Dermatologie, Lehrbuch und Atlas - Springer Verlag
- (2009) Rassner G - Dermatologie, Lehrbuch und Atlas - Elsevier, Urban & Fischer Verlag
- (2009) Fritsch P - Dermatologie und Venerologie für das Studium - Springer Verlag
- (2007) Altmeyer P - Dermatologische Differenzialdiagnose, Der Weg zur klinischen Diagnose - Springer Verlag
- (2005) Braun-Falco O, Plewig G, Wolff HH, Burgdorf WHC, Landthaler M - Dermatologie und Venerologie - Springer Verlag, Heidelberg
- (2003) Jung E, Moll I - Dermatologie - Thieme Verlag, Duale Reihe
- (2006) F.C. Sitzmann - Pädiatrie - Duale Reihe - Thieme Verlag
- (2009) A.C. Muntau - Intensivkurs Pädiatrie -Elsevier, Urban & Fischer Verlag
- (2008) Kloke M, Reckinger K, Kloke O - Grundwissen Palliativmedizin - Deutscher Ärzte Verlag
- (2009) Werni-Kourik M, Likar R, Strohscheer I - Palliativmedizin - Uni Med. Bremen
- (2007) Bausewein C, Roller S, Voltz R - Leitfaden Palliativmedizin - Palliative Care - Elsevier, Urban & Fischer Verlag
- (2007) Aulbert E, Nauck F, Radbruch L - Lehrbuch der Palliativmedizin - Schattauer Verlag
Pruritus
Assoziierte Krankheitsbilder zu Pruritus
- Atopisches Ekzem
- Diabetes mellitus Typ 1
- Diabetes mellitus Typ 2
- Tinea capitis
- Tinea manus et pedis
- Exsikkationsekzem
- Exsikkationsekzematid
- Akute allergische Kontaktdermatitis
- Akutes Nierenversagen
- Allergisches Kontaktekzem
- Chronische Niereninsuffizienz
- HIV-Infektion und AIDS
- Insektengiftallergie
- Lichen ruber planus
- Lichen simplex chronicus
- Oxyuriasis
- Prurigo simplex acuta
- Prurigo simplex subacuta
- Schizoaffektive Psychosen
- Skabies
- Skabies
- Zwangsstörungen
- Zwangsstörungen
- Arzneimittelexanthem
- Depression
- Diffuse kutane Mastozytose
- Nierenversagen
- Schizophrene Psychosen
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Am häufigsten aufgerufene Krankheitsbilder in Dermatologie
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