Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Synonyme: postpartum hemorrhage
Definition
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Postpartale Blutung laut WHO (World Health Organization) [1;2]
- Frühe postpartale Blutung: in den ersten 24 Stunden nach Geburt
- Späte postpartale Blutung: ab 24 Stunden bis ca. 6 Wochen nach Geburt
- Blutverlust aus Genitaltrakt > 500ml innerhalb 24 Stunden nach vaginaler Geburt
- Blutverlust > 1000ml nach Sectio caesarea
- Schwere Blutung: > 150ml/ Min. Blutverlust in 20 Min. oder akuter Blutverlust >1500-2000ml
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Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Ätiologie
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Risikofaktoren/ Ursachen für Postpartale Blutungen [1;2]:
- Plazentalösungsstörungen
- Uterusatonie
- Uterusatonie in vorangegangener Schwangerschaft
- Z.n. Uterusoperation
- Uterus myomatosus
- Uterusüberdehnung (Mehrlinge, Lageanomalien)
- Blutgerinnungsstörungen der Mutter
- Blutungen schon vor der Geburt
- Mehrgebärende
- Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (z.B. HELLP- Syndrom)
- Chorionamnionitis (entzündliche Veränderungen des Chorions und/oder Amnions)
- Nikotinabusus
- Plazentareste
- Uterusruptur
- Protrahierter Geburtsverlauf
- Makrosomie des Kindes (> 4000g)
- Operative vaginale Entbindung (Vakuum- oder Zangenextraktion)
- Verletzung der Geburtswege
- Sectio caesarea
- Übergewicht der Mutter
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Epidemiologie zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Epidemiologie
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Erhebungen zur Postpartalen Blutung [1;2]:
- Prävalenz 0,5- 5,0% der häufigsten geburtshilflichen Notfälle
- Häufigster Grund für mütterliche Morbidität und Mortalität
- Jährlich versterben ca. 140.000 Frauen (also ca. alle 4 Min. eine Frau) an postpartalen Blutungen und deren Komplikationen (das sind nur die registrierten Fälle!)
- Frauen, die lateinamerikanischen oder asiatischen Bevölkerungen angehören, haben ein erhöhtes Risiko
- Uterusatonie ist in 80% der Fälle Ursache für postpartale Blutungen [3]
- Geburtstraumatische Verletzungen haben einen Anteil von ca. 10% und stehen somit auf Platz 3 der Ursachen postpartaler Blutungskomplikationen
- Plazentareste in 1:300 Geburten
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Differentialdiagnosen zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Differentialdiagnosen
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
- Atonische Nachblutung
- Zervixrisse
- Scheidenriss
- Uterusruptur
- Labienrisse und Klitorisrisse
- Dammriss
- Atonische Nachblutung
- Plazentalösungsstörungen, Retentio placentae
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Anamnese zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Anamnese
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Spezielle Anamnese bei Postpartalen Blutungen:
- Ist dies die erste Schwangerschaft gewesen?
- War die aktuelle Geburt die erste?
- Wann war der Geburtsbeginn (regelmäßige schmerzhafte Wehen)?
- Wie lange dauerte die Geburt?
- Wie viele, evtl. auch Fehlgeburten gab es vorher?
- Gab es Mehrlingsschwangerschaften?
- Traten während der Schwangerschaft irgendwelche Probleme auf?
- Wurde im zweiten Drittel der Schwangerschaft eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt?
- Wurde bei diesem ein nicht der Norm entsprechender Sitz der Plazenta festgestellt?
- Wurden irgendwelche Veränderungen der Plazenta festgestellt?
- Wurde vom Untersucher empfohlen, in einem Perinatalzentrum zu entbinden?
- Gab es Voroperationen am Uterus (auch an Sectio denken!)?
- Gab es bei vorherigen Schwangerschaften unstillbare Blutungen oder Nachblutungen?
- Zu welchem Zeitpunkt der Schwangerschaft oder Geburt traten diese auf?
- Welche Maßnahmen wurden damals ergriffen (medikamentös oder operativ)?
- Bestehen bekannte Vorerkrankungen des Uterus wie z.B. Myome?
- Bestehen bekannte Gerinnungsstörungen (z.B. v. Willebrand- Jürgens- Syndrom, M. Werlhof, Einzelfaktorenmangel)?
- Bestand während der Schwangerschaft ein Bluthochdruck?
- Wenn ja, wie wurde er behandelt?
- Bestand bei Bluthochdruck je die Gefahr eines HELLP- Syndroms?
- Wie war der Gewichtsverlauf während der Schwangerschaft?
- Wie ist das aktuelle Gewicht?
- Wurde während der Schwangerschaft ein Diabetes festgestellt?
- Raucht die Patientin? Wie viel?
- Zu welchem Zeitpunkt traten die aktuellen Blutungen auf?
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Diagnostik zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Diagnostik
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Spezielle Diagnostik bei Peripartalen Blutungen
Klinisch:
- Bei Plazanta praevia keine vaginale Tastuntersuchung [3]!
- Blutverlust messen, in Tüchern abschätzen
- Uterus tasten
- Plazenta vollständig?
- Besteht ein Trauma der Geburtswege (evtl. Spiegeleinstellung)?
Uterusatonie [1]
- Fundus uteri angestiegen
- Uterus weich und schlaff
- Häufig schwallartige Blutungen
Geburtstraumatische Verletzungen [1]
- Bestand ein erhöhtes Risiko dazu während der Geburt (Makrosomie, vaginal-operative Entbindung)?
- Meist sichtbar, sonst Spiegeleinstellung
Plazentareste [1]
- Verstärkte Blutung nach Plazentaentwicklung
- Evtl. abgeschwächte Kontraktion des Uterus
- Plazenta muß nach Geburt sofort auf Vollständigkeit überprüft werden, häufig kann man dann schon den klinischen Verdacht äußern
Verlustkoagulopathie [1]
- Ab einem Blutverlust von ca. 1,5l
- Die Konzentration aller Gerinnungsfaktoren fällt durch Verdünnung mit z. Elektrolytlösungen und Erythrozytenkonzentraten ab
DIC (disseminierte intravasale Gerinnung)/ Verbrauchskoagulopathie [6;1]
- Thrombozytopenie (ist in Schwangerschaft normalerweise erhöht!)
- Fibrinogen ↓
- AT (Antithrombin)↓
- Nachweis von Fibrinmonomeren
- Nachweis von D- Dimer
- Quick ↓
- aPTT ↓
- Thrombelastographie
- Clot- Observation- Test (Beobachtung Gerinnselbildung im Vollblut)
2. Sonographisch
- Absicherung nach körperlicher Untersuchung
- Evtl. Feststellung von intrauteriner Flüssigkeitsansammlung
- Plazentareste?
- Freie Flüssigkeit im Bauchraum/ Douglasraum als Zeichen einer Uterusruptur?
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Klinik zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Klinik
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Klinik der Postpartalen Blutung [1]
- eine akute Blutung ist sichtbar
- Blutungen treten meist ohne Vorwarnung auf [4]
- evtl. Symptome des hämorrhagischen Schocks:
- Agitiertheit
- Bewußtseinstrübung
- Kaltschweißigkeit
- Blasse Hautfarbe
- Tachykardie
- Hypotension
- Hyperventilation
- Atemnot
- Oligo- oder Anurie
Postpartale Blutung laut WHO (World Health Organization) [1;2]
- Frühe postpartale Blutung: in den ersten 24 Stunden nach Geburt
- Späte postpartale Blutung: ab 24 Stunden bis ca. 6 Wochen nach Geburt
- Blutverlust aus Genitaltrakt > 500ml innerhalb 24 Stunden nach vaginaler Geburt
- Blutverlust > 1000ml nach Sectio caesarea
- Schwere Blutung: > 150ml/ Min. Blutverlust in 20 Min. oder akuter Blutverlust >1500-2000ml
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Therapie zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Therapie
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Allgemeine Maßnahmen: [1]
- Blutverlust messen, in den Tüchern evtl. abschätzen
- Schnelle Abklärung der Böutungsursache
- Dann Veranlassung/Einleitung/Organisation der Weiterbehandlung (evtl.chirurgisch)
Bis dahin:
- Kontrolle der Vitalparameter
- Volumensubstitution i.v. mit Kolloiden (Dextrane oder HAES cave: NW Gerinnungsstörungen möglich) oder Kristalloiden (Vollelektrolytlösungen) [5]
- Blutkonserven vorbereiten (kreuzen) lassen
- Evtl. Gabe von Erythrozytenkonzentraten oder Plasma
Spezielle Maßnahmen
Diese können nur beispielhaft aufgeführt werden. Das weitere Prozedere soll in der jeweiligen Situation von einem Facharzt entschieden und geleitet werden.
Uterusatonie [1;2]
- Reiben des Uterus (evtl. Prostaglandinbildung)
- Bimanuelle Uteruskompression
- Verbliebene Plazentareste ausschließen → Sonographie
- Geburtsverletzung ausschließen → Spiegeleinstellung
- Oxytocin i.v.: max. 6 I.E. unverdünnt langsam i.v. (3 I.E. als Bolus, evtl. 3 weitere fraktioniert) oder als Dauerinfusion in 500-1000 ml Vollelektrolytlösung; cave: vasodilatatorische Wirkung, besonders bei Bolusgabe!
- Versagen von Oxytocin: Sulproston i.v. 500 µg (1 Amp.) in 500 ml Infusionslösung, Gabe per Infusomat beginnen mit 1,7 ml/Min., max. 8,3 ml/ Min.; maximale Tagesdosis 1500 µg
- Tamponaden mit Sulproston werden kontrovers diskutiert
- Prostaglandin F2α: in Deutschland zur Behandlung bei Uterusatonie oder postpartalen Blutungen nicht mehr zugelassen
- Chirurgische Maßnahmen: nach Versagen der manuellen und medikamentösen Maßnahmen
Geburtstraumatische Verletzungen [1]
- Blutungsquelle genau analysieren
- Rasches chirurgisches Vorgehen
- Volumensubstitution
Plazentareste [1]
- Plazenta muß nach der Geburt sofort auf Vollständigkeit überprüft werden
- Kontrolle der Diagnose durch Ultraschall
- Zügige manuelle Austastung
- Evtl. Kürettage
- Evtl. Gabe von Oxytocin i.v.: max. 6 I.E. unverdünnt langsam i.v. (3 I.E. als Bolus, evtl. 3 weitere fraktioniert) oder als Dauerinfusion in 500-1000 ml Vollelektrolytlösung; cave: vasodilatatorische Wirkung, besonders bei Bolusgabe! Versagen von Oxytocin: Sulproston i.v. 500 µg (1 Amp.) in 500 ml Infusionslösung, Gabe per Infusomat beginnen mit 1,7 ml/Min., max. 8,3 ml/ Min.; maximale Tagesdosis 1500 µg
DIC/Verlustkoagulopathie [6;1]
- Vorphase zur Prophylaxe (z. B. Schwangere mit normalen oder grenzwertigen Fibrinogen- Werten): Heparin 500 I.E./ h i.v.; bei Neigung zur Blutung auf 200 I.E./ h i.v. reduzieren
- Manifeste DIG: Kein Heparin! FFP (Fresh Frozen Plasma) 6x250 ml/d; schwere Blutung: nach 2 Erythrozyten- Konzentraten 1 Einheit FFP geben; AT- Konzentrate bis AT auf >= 80% des Normwertes; Thrombozytenkonzentrate bei Thrombozyten < 20.000/ µl; Fibrinogen- Gabe bei Werten < 1 g/l
- rFVIIa: 60-120 µg/kg KG als Bolus i.v., bei anhaltender schwerer Blutung evtl. 2. Bolus nach 15 Min. bis max. 60 Min.
- Antifibrinolytika (Tranexamsäure): bei nachgewiesener Fibrinolyse mind. 1000mg i.v.
- Nach überstandener Phase : Voll- Heparinisierung → aPTTauf das 1,5-2- fache der Norm einstellen
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Komplikationen zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Komplikationen
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Komplikationen bei Postpartalen Blutungen [1;2]
- Häufigster Grund für mütterliche Morbidität und Mortalität
- Jährlich versterben ca. 140.000 Frauen (also ca. alle 4 Min. eine Frau) an postpartalen Blutungen und deren Komplikationen (das sind nur die registrierten Fälle!)
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Zusatzhinweise zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Zusatzhinweise
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Zur Zeit gibt es keine Zusatzhinweise zur postpartalen Nachblutung und atonischen Nachblutung.
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen Literaturquellen zu:
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Literaturquellen
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
- Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), Interdisziplinäre Expertengruppe, Diagnostik und Therapie peripartaler Blutungen, AWMF 015/063, Stand August 2010
- Speculum, Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2008 26(3), Leitlinie zum Management der postpartalen Blutung, Univ.- Prof. Dr. Hanns Helmer, Abt. f. Geburtshilfe und Feto- maternale Medizin der Univ.- Klinik f. Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien et al.
- Informationen des Weiterbildungsseminars für Assistenten November 2008, F. Wolff, Frauenklinik, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Krhs Holweide
- Artikel Der Gynäkologe 2008/2, Vorgehen bei schweren geburtshilflichen Blutungen, Autor: Prof. Dr. F. Kainer
- Rote Liste 2008, Herausgeber Rote Liste GmbH, Frankfurt/ Main
- Herold, Innere Medizin 2008
Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Assoziierte Krankheitsbilder zu Postpartale Blutungen und atonische Nachblutungen
Am häufigsten aufgerufene Krankheitsbilder in Gynäkologie und Geburtshilfe
Weiterführende Links
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