Nierenzellkarzinom
Synonyme: Grawitz-Tumor, Hypernephrom, hypernephroides Nierenkarzinom, Adenokarzinom der Niere
Definition
Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinom ist der häufigste maligne Nierentumor im Erwachsenenalter (90%). Es entwickelt sich aus dem Nierenparenchym.
Nierenzellkarzinom
Ätiologie
Nierenzellkarzinom
Die Ursachen des Nierenzellkarzinoms sind unbekannt.
- Vermutung:
- hormonelle Einflüsse
- genetische Faktoren (Translokation zwischen Chromosom 3 und 8)
- cholesterol- und fettreiche Nahrung
- Nikotin- und Kaffeeabusus
- terminale Niereninsuffizienz (bei Zystennieren)
- von Hippel-Lindau-Krankheit
- M. Bourneville-Pringle
- tuberöse Sklerose
- Familienanamnese eines Nierenzellkarzinoms
- Ausgangspunkt des Tumors ist die Nierenrinde (maligne Degeneration des Tubulusepithels)
Nierenzellkarzinom Epidemiologie zu:
Nierenzellkarzinom
Epidemiologie
Nierenzellkarzinom
Zur Epidemiologie des Nierenzellkarzinoms:
- ca. 2% aller Tumorerkrankungen
- Männer doppelt so häufig vom Nierenzellkarzinom betroffen als Frauen
- Altersgipfel: 55 - 70 Jahre
- Häufiger erkranken Menschen aus Nordamerika, Skandinavien. (Zusammenhang unklar)
Nierenzellkarzinom Differentialdiagnosen zu:
Nierenzellkarzinom
Differentialdiagnosen
Nierenzellkarzinom
- Hydronephrose und Pyonephrose
- Harnwegsinfektion bei polyzystischen Nieren des Erwachsenen
- Einfache Nierenzysten
- Multiple Nierenzysten
- Benigne Nierentumoren
- Urolithiasis
- Nierenzysten
Nierenzellkarzinom Anamnese zu:
Nierenzellkarzinom
Anamnese
Nierenzellkarzinom
Beim Nierenzellkarzinom sind folgende Informationen von Bedeutung:
- Mikro-/Makrohämaturie?
- Palpation
- Flankenschmerz?
- Fieber?
- Gewichtsverlust?
- Nachtschweiß?
- Anämie?
- Hyperkalzämie?
- Hypertonie?
- Nierenkolik?
- Abgang von Blutkoageln?
- linksseitige Varikozele?
- Hepatomegalie (Leberdysfunktion)?
Nierenzellkarzinom Diagnostik zu:
Nierenzellkarzinom
Diagnostik
Nierenzellkarzinom
Zur diagnostischen Abklärung des Nierenzellkarzinoms sind relevant:
1. Urin:
- Mikro- und Makrohämaturie
2. Blut:
- Hyperchrome Anämie
- Polyglobulie
- BSG-Erhöhung
- Hyperkalzämie
- Hyperkaliämie
- Paraneoplastische Syndrome (Hypertonie)
- adenosindesaminasebindendes Protein (ADPD) und Erythropoetin sind bei ca. 50% der Patienten erhöht
3. Sonographie:
- Screening und Staging-Methode
- Tumorausdehnung und Infiltration
- meist irreguläres Reflexmuster mit zentralen Nekrosen und Kalzifikationen vorhanden
- abweichende Echostruktur
- Vorwölbung der Nierenoberfläche
- erfasst Tumorthromen im Stamm der V. renalis und V. cava mit Sensitivität bis zu 100%
- Mitbeurteilung von Leber, kontralateraler Niere und Nebenniere (Metastasierung?)
4. CT/MRT Abdomen (und Thorax):
- Beurteilung der lokalen Ausdehnung/Lymphknotenstatus
- Aussage über Operabilität (Ausdehnung des Tumors, Infiltrationen von Nachbarorganen, Gefäßeinbruch, LK-Metastasen und Metastasen)
- paraaortale und paracavale Lymphknoten ab Durchmesser von über 1 cm sind CT-technisch suspekt
- Lymphknoten über 2 cm Durchmesser sind i.d.R. tumorbefallen
- MRT bei Patienten mit Kontrastmittelallergie und Niereninsuffizienz
5. Urogramm:
- Großer Nierenschatten
- Tumorkontur
- teilweise Kalzifikationen
- nach KM-Gabe Füllungsdefekte des Hohlsystems mit Verdrängung des NBKS
- röntgenologisch "Stumme Niere"
- Indiziert bei Patienten mit Hämaturie zur Abklärung von Urotheltumoren des oberen Harntrakts
6. Ganzkörperszintigramm:
- nur bei Schmerzen oder erhöhter alkalischer Phosphatase bzw. Serumkalzium erforderlich
- bei Nachweis anderer Fernmetastasen
- bei Primärtumorgröße über 10 cm
- beim Nachweis positiver regionärer Lymphknoten
7. Röntgen-Thorax:
- Rö-Thorax in 2 Ebenen = Metastasenlokalisation
- bei Metastasen ggf. CT Thorax (Metastasenchirurgie?)
- NSS mit seitengetrennter Clearance: Abklärung der Funktion der kontralateralen Niere
8. weiterführende Diagnostik:
- Angiographie
- Kavographie
- Retrogrades Urogramm
- Sono- oder CT-gesteuerte Zystenpunktion
- Biopsie
Nierenzellkarzinom Klinik zu:
Nierenzellkarzinom
Klinik
Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinom stellt sich klinisch wie folgt dar:
- Das Nierenzellkarzinom kann mehr als 60% asymptomatisch verlaufen (sonographischer Zufallsbefund)
- Klassische Trias: a) Schmerzlose Hämaturie (65%) b) Flankenschmerzen (60%) c) palpabler Tumor (35%)
- Trias treten als Initial- und gleichzeitig Spätsymptom auf
- Koliken bei Blutkoagelabgang
- symptomatische Varikozele
1. Toxische Effekte:
- Anorexie
- Gewichtsabnahme
- Leistungsknick
- subfebrile Temperaturen
- gastrointestinale Symptome
- hepatorenale Dysfunktion
- Anämie
- Amyloidose
2. Endokrine Effekte:
- Polyglobulie (Erythropoetin)
- Hyperkalzämie (PTH, Vit. D, Prostaglandin)
- Hyperkaliämie (Prolaktin)
- Gynäkomastie
- Libidoverlust (Gonadotropine)
- Hypertonie (Renin)
- Cushing-Syndrom (ACTH)
- Hyper- und Hypoglykämie (Glukagon / Insulin)
Nierenzellkarzinom Therapie zu:
Nierenzellkarzinom
Therapie
Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinoms kann mit folgenden Methoden behandelt werden:
1. Mittel der Wahl:
- Tumornephrektomie mit Lymphadenektomie
- Adrenalektomie einschließlich Fettkapsel, Ovarial- oder Spermatikagefäße
2. Nierenerhaltende Operation:
- Nierenteilresektion, Tumorexzision, Polamputation, Heminephrektomie oder Exzision, Work-bench-surgery in Hypothermie bei Befall einer Einzel- oder Restniere
3. Palliative Nephrektomie:
- nur dann bei multiplen Metastasen, wenn Primärtumor symptomatisch ist (unstillbare Blutung, ausgeprägte Schmerzen, psychischer Druck)
- nur dann gerechtfertigt, wenn Symptome nicht konservativ behandelt werden
4. therapeutische Lymphknotendissektion:
- bisher beim Nierenzellkarzinom nicht sicher belegt
- dient daher hauptsächlich der exakten Stadieneinteilung
5. Embolisation:
- der A. renalis bei inoperablen Patienten mit massiver rezidivierender Makrohämaturie und lokalen Beschwerden
- Patienten sollten über Postembolisationssyndrom (Schmerz, Fieber, RR-Anstieg) aufgeklärt werden
6. operative Entfernung von Fernmetastasen:
- sinnvoll bei Metastasen, die mehr als 2 Jahre nach Tumornephrektomie auftreten
- solitäre Metastasen operativ entfernen
- bei Wirbel- und intraspinalen Metastasen mit beginnender Querschnittsymptomatik ist primär eine operative Dekompression vorzunehmen und anschließende lokale Bestrahlung
7. Strahlentherapie:
- kein wesentlicher Einfluss
- Palliativ bei Knochen- und Weichteilmetastasen
- unter Strahldosen von mindestens 50 Gy Rückbildung von Knochenmetastasen (und Rekalzifizierung)
- Frakturgefährdete Knochenmetastasen primär operativ versorgen
- Metastasenbestrahlung zur Schmerzlinderung
- kleine Hirnmetastasen (sofern nicht operabel) können mit Gamma-Knife bestrahlt werden
- bei multiplen Hirnmetastasen ist Versuch einer Ganzschädelbestrahlung in Erwägung zu ziehen
8. Zytokintherapie:
- vor allem Interferon-α (sc) und Interleukin-2 (sc, iv oder inhalativ), mehrwöchige Therapiezyklen; bei grippeähnlichen Symptomen Dosisreduktion oder Abbruch
- häufige Therapieform: IL-2 plus IFN-α plus 5-FU, IL-2 plus IFN-α, IFN-α plus Vinblastin und IL-2 oder IFN-α als Monotherapie
- Therapie möglichst nur in Studien vornehmen
9. Chemotherapie:
- Anprechraten unter 10%
- neuere Therapeutika wie Gemcitabine oder Paclitaxel in Phase-II-Studien mit geringfügig besseren Ergebnissen
- Zugelassene Kombination: Vinblastin plus IF-α
- bei malignen mesenchymalen Tumoren ist Chemotherapie sinnvoll
10. Adjuvante Therapie:
- bisher nicht etabliert
- Zytokine (Interferon), Hormone oder Radiatio ohne Einfluss auf progressfreie Überleben
Nierenzellkarzinom Komplikationen zu:
Nierenzellkarzinom
Komplikationen
Nierenzellkarzinom
Das Nierenzellkarzinom kann folgende Komplikationen haben:
- Spätmetastasen auch noch nach 20 Jahren
- bei Metastasierung Überleben 12-24 Monate, nur 5% der Patienten leben länger als 5 Jahre
- prognostisch ungünstig hinsichtlich Überleben: Kurzes Intervall zwischen Primärdiagnose und Metastase, schlechter AZ, Anämie, Neutrophile Granulozyten weniger als 7500, Alk. Phos. mehr als 100, Vorhandensein hepatischer, ossärer oder mediastinaler Metastasen
- Metastasenlokalisation in absteigender Häufigkeit: Lunge, Leber, Knochen, Gehirn, Nebenniere, kontralaterale Niere
- Bei ausgedehntem Nierenzellkarzinom Gefahr der Tumorthromben in Vv. renalis und V. cava inf.
- Ausbildung von Varikozelen linksseitig möglich
Nierenzellkarzinom Zusatzhinweise zu:
Nierenzellkarzinom
Zusatzhinweise
Nierenzellkarzinom
Prognose des Nierenzellkarzinoms:
- 5-Jahres-Überlebensrate:
- 55-98% bei Tumor ohne Fern- und LK-Metastasen
- 10-20% bei Einbruch der Nierenkapsel, V. renalis oder LK-Metastasen
- abhängig vom Grading
Nierenzellkarzinom Literaturquellen zu:
Nierenzellkarzinom
Literaturquellen
Nierenzellkarzinom
- (2009) Duale Reihe Innere Medizin - Thieme, Stuttgart
- (2006) Dörner K. - Klinische Chemie und Hämatologie - Thieme, Stuttgart
- (2006) Weylandt K, Klinggräff P - DD Innere Kurzlehrbuch der Inneren Medizin und differentialdiagnostisches Kompendium - Lehmanns Media
- (2009) Thieme Verlag - Innere Medizin - Duale Reihe - Thieme
- (2009) Herold G - Innere Medizin 2010 - Herold, Köln
- (2008) Renz-Polster H, Krautzig S - Basislehrbuch Innere Medizin - Urban & Fischer Verlag, Elsevier
- (2007) Piper W - Innere Medizin - Springer
- (2009) Gasser T - Basiswissen Urologie - Springer
- (2009) Thüroff J - Urologische Differenzialdiagnose - Thieme
- (2007) Jocham D, Miller K - Praxis der Urologie - Thieme
- (2006) Schmelz HU, Sparwasser C, Weidner W - Facharztwissen Urologie - Springer
- Eichenauer R, Sandmann J, Vanherpe H - Klinikleitfaden Urologie - Urban und Fischer
- Lohr, Keppler - Innere Medizin - Ullstein Medical
Nierenzellkarzinom
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Weiterführende Links
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