Miller-Fisher-Syndrom
Synonyme: MFS
Definition
Miller-Fisher-Syndrom
Das Miller-Fisher-Syndrom ist eine Sonderform des Guillain-Barré-Syndroms, eine akute, entzündliche, meist demyelinisierende Polyradikuloneuritis, die vornehmlich das Gesicht und die Augenmuskeln betrifft. Das Miller-Fisher-Syndrom imponiert durch die typische Trias
- Ophthalmoplegie,
- Ataxie und
- Areflexie.
Miller-Fisher-Syndrom
Ätiologie
Miller-Fisher-Syndrom
Allgemeine Ätiologie des Guillain-Barre-Syndroms:
- bei 2/3 der Patienten geht den Lähmungen ein respiratorischer oder gastrointestinaler Infekt voraus [5]
- wird ein Erreger identifiziert, handelt es sich meist um Campylobacter jejuni (30% [6]). In den 2 folgenden Monaten nach einer Infektion mit Campylobacter ist das Risiko, an einem Guillan-Barre-Syndrom zu erkranken, etwa 100fach erhöht [7].
- Die U.S. Food and Drug Administration (FDA) warnt derzeit vor einem quadrivalenten, mit einem Polysaccharid konjugierten Meningokokkenimpfstoff (MCV4), der in 5 Fällen im Zusammenhang mit einem Guillain-Barre-Syndrom stand, wobei der Nachweis noch fehlt [8].
Prognostische Faktoren für ein schlechtes Outcome des Guillain-Barre-Syndroms sind [9]:
- höheres Alter
- Schneller Beginn (<7 Tage)
- Beatmungspflicht
- NLG: Reduktion der Amplitude distal von mehr als 20 Prozent des Normalwerts
- vorangegangener gastrointestinaler Infekt mit Diarrhoe
Pathogenese des Miller-Fisher-Syndroms:
- Auto-Ak gegen Gangliosid GQ1b
- evtl. molekulares Mimikry durch GQ1b-ähnliche bakterielle Oberflächenantigene
- Infiltration der Markscheiden durch Immunzellen und Myelinzerfall ab vorderer und hinterer Rückenmarkswurzel und den dazugehörigen peripheren Nerven
Miller-Fisher-Syndrom Epidemiologie zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Epidemiologie
Miller-Fisher-Syndrom
Das Miller- Fisher- Syndrom ist selten.
- Prädispositionsalter: 50. - 70. Lj., grundsätzlich auch im Kindesalter möglich
- beim Guillain-Barre-Syndrom allgemein rechnet man mit 0,6 - 2,4 Krankheitsfällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr [1]
Miller-Fisher-Syndrom Differentialdiagnosen zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Differentialdiagnosen
Miller-Fisher-Syndrom
- Okuläre Myositis
- ldiopathische Fazialisparese
- Fazialisparese bei Herpes zoster oticus
- Fazialisparese bei Lyme Borreliose
- Guillain-Barré-Syndrom
- Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie
- Okuläre Myasthenie
- Neuroborreliose Stadium III
- Neuroborreliose Stadium I
- Akustikusneurinom
Miller-Fisher-Syndrom Anamnese zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Anamnese
Miller-Fisher-Syndrom
Beim Miller- Fisher- Syndrom sind folgende Informationen von Bedeutung:
- vorausgegangener respiratorischer oder Magen-Darm-Infekt/Fieber?
- Schwäche/Lähmung der Fußheber und Knie-und Hüftbeuger?
- Doppelbilder?
- Schluckstörungen?
- Gangunsicherheit?
- Kribbeln/Mißempfindungen?
- Schmerzen?
- autonome Störungen?
- Atemnot?
- Kontinenz?
- Medikamente, insbesondere Antibiotika oder Analgetika?
- Herzrasen?
Miller-Fisher-Syndrom Diagnostik zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Diagnostik
Miller-Fisher-Syndrom
Zur diagnostischen Abklärung des Miller- Fisher- Syndroms sind relevant:
neurologische Untersuchung:
- Hirnnervenstatus,
- Reflexstatus,
- Romberg-/Unterberger-Tretversuch,
- Kleinhirnproben
Lumbalpunktion:
- Liquorzellzahl typischerweise normal (<5 Zellen/mm3) oder leicht erhöht [10],
- Liquoreiweiß im Verlauf ansteigend, nach 1 Woche nach Symptombeginn bei 80-90% erhöht [3] , selten aber über 2500 mg/l (dann sollte die DD Sperrliquor bei Raumforderung in Betracht gezogen werden) [2].
Labor:
- Anti-Gq1b-Ak (insbesondere bei Augenmuskelbefall nachweisbar),
- Serologie,
- evtl. Virus-PCR
Elektrophysiologie:
- NLG, evtl. mit F-Welle;
- evtl. EMG;
- evtl. SSEP.
Kriterien der peripheren Demyelinisierung:
- motorische NLG <90% des unteren Grenzwertes bei Reduktion der Amplitude um >50% (an 2 und mehr Nerven gemessen).
- Distale Latenz >115% des oberen Grenzwertes bei normaler Amplitude, >125% bei verminderter Amplitude.
- Amplitudenverhältnis des Summenaktionspotentials bei proximaler und distaler Reizung <0,7. F-Wellen-Latenz >125% des oberen Grenzwertes.
- Zum Nachweis einer axonalen Schädigung und Denervierung ist ein EMG aussagekräftigsten.
- Evtl. auch sensible NAP des Nervus suralis [2].
- evtl. MRT der Orbita: KM-Enhancement der Hirnnerven III,IV,VI möglich
- evtl. Stuhlkultur: H.a. Campylobacter jejuni, Salmonellen, Shigellen?
Miller-Fisher-Syndrom Klinik zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Klinik
Miller-Fisher-Syndrom
Das Miller- Fisher- Syndrom kann eine oder mehrere der folgenden Symptome zeigen:
- rasche Ausbildung innerhalb einer Woche
- charakteristische Trias:
- Ophthalmoplegie
- cerebelläre Ataxie
- Areflexie
- evtl. weitere Hirnnervenausfälle: Fazialisparese, Glossopharyngeus-/Vagusparese
- doppelseitige Ptosis und lichtstarre Pupille in seltenen Fällen
Miller-Fisher-Syndrom Therapie zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Therapie
Miller-Fisher-Syndrom
Die therapeutischen Möglichkeiten beim Miller- Fisher- Syndrom umfassen folgendes:
- Therapie einer nachgewiesenen, zugrundeliegenden Infektion
- Behandlung neuropathischer Schmerzen mit Analgetika, Antidepressiva, Gabapentin oder Carbamazepin
In Einzelfällen erfolgreich, meist jedoch nicht nötig:
- Immunglobuline: 0,4g/kg KG täglich über 5 Tage
- Plasmapherese mit jeweils 50 ml/kgKG über 5 Tage
Die American Academy of Neurology (AAN) stellte 2003 folgende Leitlinien zum Guillain-Barre-Syndrom auf [4]:
- Die Behandlung mit Plasmapherese oder intravenösen Immunglobulinen beschleunigt die Genesung
- Plasmapherese und intravenöse Immunglobuline sind bezüglich des Benefits als gleichwertig anzusehen
- Eine Kombination von Plasmapherese und intravenösen Immunglobulinen bringt keinen zusätzlichen Benefit
- Eine Behandlung mit Steroiden alleine wird nicht empfohlen
Miller-Fisher-Syndrom Komplikationen zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Komplikationen
Miller-Fisher-Syndrom
Beim Miller- Fisher- Syndrom kommen folgende Komplikationen vor:
- selten generalisierte sensible Neuropathie
Miller-Fisher-Syndrom Zusatzhinweise zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Zusatzhinweise
Miller-Fisher-Syndrom
- Das Miller-Fisher-Syndrom hat eine günstige Prognose: meist vollständige Remission ohne spezifische Therapie innerhalb von 4 - 6 Wochen
Prognose des Guillain-Barre-Syndroms:
- nach 6 Monaten können 65% wieder frei gehen
- insgesamt bilden sich bei 80% die Symptome vollständig oder fast vollständig zurück [9]
- bei 5-10% der Patienten kommt es zu einem prolongierten Verlauf mit längerer Beatmungspflichtigkeit und unvollständiger Genesung [10]
- Die Mortalität beträgt 5% [11]
- Rückfälle kommen in ca. 10% der Fälle vor [12]
- ca. 2% der Patienten leiden an chronischer Schwäche der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP) [13]
Miller-Fisher-Syndrom Literaturquellen zu:
Miller-Fisher-Syndrom
Literaturquellen
Miller-Fisher-Syndrom
- (2000) Jones HR Jr - Guillain-Barre syndrome: perspectives with infants and children - Semin Pediatr Neurol. 7(2):91-102.
- (2008) AWMF-Leitlinien - Guillain-Barré Syndrom (Kurzfassung) - Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie, Nr. 022/008
- (1991) Ropper, AH, Wijdicks, EFM, Truax, BT. - Guillain-Barré syndrome, Kapitel 6 - FA Davis, Philadelphia, Seite 57.
- (2003) Hughes RA, Wijdicks EF, Barohn R, Benson E, Cornblath DR, Hahn AF, Meythaler JM, Miller RG, Sladky JT, Stevens JC, - Practice parameter: immunotherapy for Guillain-Barre syndrome: report of the Quality Standards Subcommittee of the American Academy of Neurology - Neurology. 61(6):736-40.
- (1998) Hahn AF - Guillain-Barre syndrome - Lancet. 352(9128):635-41.
- (1993) Kuroki S, Saida T, Nukina M, Haruta T, Yoshioka M, Kobayashi Y, Nakanishi H - Campylobacter jejuni strains from patients with Guillain-Barre syndrome belong mostly to Penner serogroup 19 and contain beta-N-acetylglucosamine residues - Ann Neurol. 33(3):243-7.
- (2001) McCarthy N, Giesecke J - Incidence of Guillain-Barre syndrome following infection with Campylobacter jejuni - Am J Epidemiol. 153(6):610-4.
- http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/2005/ucm108494.htm >
- (1991) Ropper, AH, Wijdicks, EFM, Truax, BT - Guillain-Barré syndrome, FA Davis, Philadelphia
- (2001) Kissel, JT, Cornblath, DR, Mendell, JR. Guillain-Barre syndrome. In: Diagnosis and management of peripheral nerve disorders - Oxford University Press, New York
- (2003) Chi? A, Cocito D, Leone M, Giordana MT, Mora G, Mutani R, - Guillain-Barre syndrome: a prospective, population-based incidence and outcome survey - Neurology. 60(7):1146-50.
- (2000) Asbury AK - New concepts of Guillain-Barre syndrome -J Child Neurol. 15(3):183-91.
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(2003) Odaka M, Yuki N, Hirata K - Patients with chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy initially diagnosed as Guillain-Barre syndrome - J Neurol. 250(8):913-6.
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Gleixner C, Müller M, Wirth S (2007) - Neurologie und Psychatrie - Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach
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Grehl H, Reinhardt F (2008) - Checkliste Neurologie, 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage - Georg Thieme Verlag, Stuttgart
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Hopf H-C (2006) - Erkrankungen der Hirnnerven - Georg Thieme Verlag, Stuttgart
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(2007) Buchner H - Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen - Thieme
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(2006) Poeck, Hacke, - Neurologie - Springer, Berlin
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