Gonokokken-Pharyngitis
Synonyme: Tripper (Pharyngitis) , Morbus Neisser (Pharyngitis), GO(Pharyngitis)
Definition
Gonokokken-Pharyngitis
Die Gonorrhoe ("Tripper") (ICD-10: A54.0) ist eine durch Gonokokken hervorgerufene Infektionserkrankung, welche insbesondere Schleimhäute von Urogenitaltrakt, Rektum, Mundhöhle und Konjunktiven befällt. Sie zählt zu den STDs (sexually transmitted diseases).
Gonokokken-Pharyngitis
Ätiologie
Gonokokken-Pharyngitis
Erreger der Gonorrhoe ist Neisseria gonorrhoeae [1,2,5]:
- gramnegative Diplokokken
- Erregerreservoir: Mensch
- v.a. sexuelle Übertragung (genital, pharyngeal, rektal), seltener Schmierinfektion (z.B. Konjunktiven)
- durch Übertragung bei Geburt ist beim Kind eine Infektion der Konjunktiven möglich
- Inkubationszeit: 2-8d
- Pathogenitätsfaktoren mit denen sie sich an zilienfreies Schleimhautepithel heften: Opaque-Protein (bindet an Zellwand), Haftpili (ohne Pili keine Infektion mgl.), IgA-Protease (spaltet Schleimhautantikörper vom Typ IgA), Endotoxin (löst heftige Immunreaktion aus)
- Pathogenese: Durch Opaque-Protein Anheftung an Schleimhautepithel. Anschließend erfolgt Endozytose durch die Epithelzelle und Transport in das subepitheliale Gewebe. Hier erfolgt zum Teil Phagozytose durch Leukozyten. Ein Teil der Gonokokken löst jedoch mittels Haftpili eine Degranulaierung der Phagozyten aus, so dass diese die Bakterien nach Phagozytose nicht mehr abtöten können. Weiterhin sind sie zum Antigenwechsel fähig und können sich der Immunreaktion immer wieder entziehen. Dieser Mechanismus kann zur Chronifizierung der Krankheit führen.
Gonokokken-Pharyngitis Epidemiologie zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Epidemiologie
Gonokokken-Pharyngitis
Folgende epidemiologische Daten zur Gonorrhoe liegen vor:
- Inzidenz 5/100.000 in Westeuropa, >20/100.000 in Osteuropa
- Männer > Frauen (2:1)
- Deutschland: ca. 4.000 Fälle/Jahr aber hohe Dunkelziffer vermutet (geschätzt 25000-40000 Fälle)
- Krankheitsgripfel zwischen 15.-30. Lebensjahr
- Weltweit 62 Mio Fälle/Jahr
- v.a. in Asien und Afrika gehäufte Antibiotika-Resistenzen
- Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern sind besonders gefährdet
- Risiko der peripartalen Übertragung von der infizierten Schwangeren auf das Kind 30-50%
Gonokokken-Pharyngitis Differentialdiagnosen zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Differentialdiagnosen
Gonokokken-Pharyngitis
- Streptokokken der Gruppe B bei Neu- und Frühgeborenen
- Trichomonaden in der Schwangerschaft
- Streptokokken der Gruppe B in der Schwangerschaft
- Candidamykose der Vagina
- Syphilis
- Trichomonaden
- Akute Pharyngitis
- Lues
- Chronische Pharyngitis
- Akute Pharyngitis
- Angina herpetica
- Soor-Stomatitis
Gonokokken-Pharyngitis Anamnese zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Anamnese
Gonokokken-Pharyngitis
Bei der Gonorrhoe sind folgende Informationen von Bedeutung:
Allgemein:
- Sexualanamnese
- Partneranamnese: Infektionen?
- Brennen beim Wasserlassen?
- Gelenkschmerzen? V.a. im Knie?
- Halsschmerzen, Schluckbeschwerden?
- Schmerzen am After?
zusätzlich beim Mann:
- Eitriger Ausfluss aus der Harnröhre?
- Schmerzen beim Samenerguss?
zusätzlich bei der Frau:
- Ausfluss aus der Scheide?
- Rötung/Schwellung/Schmerzen an der Scheide (V.a. Bartholinitis)?
- (Unter-)Bauchschmerzen?
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr?
- Verlängerte Periodenblutung, Zwischenblutungen?
Gonokokken-Pharyngitis Diagnostik zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Diagnostik
Gonokokken-Pharyngitis
Zur diagnostischen Abklärung der Gonorrhoe sind relevant:
- gynäkologische / urologische Untersuchung
- Abstrichentnahme aus Zervix / von der Urethra (evtl. auch anal, pharyngeal, erhöht die Sensitivität)
- Mikroskopischer Nachweis: Diplokokken einzeln oder in Gruppen; auch innerhalb von Leukozyten mgl. (Methylenblau- oder Gram-Färbung); gelingt nur bei akuter Infektion
- Kultureller Nachweis: zur Diagnosesicherung nötig, aber schwierig! Kochblutnährmedien mit zugesetzten Antibiotika, um andere Bakterien abzutöten, sind geeignet
- PCR
- Blutkultur bei V.a. disseminierte Gonorrhoe; häufig jedoch negativ; auch bei generalisiertem Verlauf ist ein Abstrich (zervikal, urethral) häufiger zielführend
- Sexualpartner ebenfalls testen! Andernfalls können sich die Partner immer wieder gegenseitig infizieren ("Ping-Pong-Gonorrhoe")
Gonokokken-Pharyngitis Klinik zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Klinik
Gonokokken-Pharyngitis
Die Gonorrhoe kann folgende Symptome zeigen [1,2,3,4,6,11]:
Allgemein:
- Pharyngeale Gonorrhoe nach Oralverkehr mgl.: 90% der Fälle asymptomatisch, ansonsten Dysphagie, Halsschmerzen, Rötung
- Proktitis nach Analverkehr mgl. (v.a. homosexuelle Männer): Pruritus, Schmerzen, Tenesmen, Völlegefühl, Obstipation
- Polyarthritis bzw. Monoarthritis (meistens Knie) v.a. Knie, Sprunggelenke, Handgelenk, Fingergrundgelenke mit Fieber, Hämorrhagien, Petechien
- Ophthalmoblenorroea des Erwachsenen: meist einseitiger Befall zu rektogenitaler Infektion, Lichtscheu, Pruritus, Brennen
speziell bei der Frau:
- 60-80% subklinisch
"untere" Gonorrhoe (akut):
- Zervizitis (Dyspareunie, (Kontakt-)Blutungen)
- weißlich-gelber Fluor genitalis
- Urethritis mit Dysurie (stechender Schmerz, Brennen) und Pollakisurie
- Bartholinitis
- Vulvovaginitis gonorrhoica (durch sauren pH in Scheide erwachsener Frauen selten, bei Kindern oder postklimakterischen Frauen durch fehlenden Östrogeneinfluss häufiger!)
"obere" Gonorrhoe (chronisch) (durch Keinaszension)
- Endometritis (Menorrhagie, Zwischenblutungen)
- Salpingitis mit ziehenden oder kolikartigen Unterbauchschmerzen
- Pyosalpinx, Pelveoperitonitis: Peritonismus, hohes Fieber, Übelkeit, Erbrechen (pelvic inflammatory disease = PID)
cave: auch ein komplett unauffälliger Untersuchungsbefund schließt eine Gonorrhoe bei der Frau nicht aus!
speziell beim Mann:
- 10-30% subklinisch
"vordere" Gonorrhoe (akut):
- Urethritis (Brennen beim Wasserlassen und eitriger Ausfluss)
- fehlende Leukozytose
"hintere" Gonorrhoe (chronisch):
- Prostatitis
- Epididymitis
- "Bonjour-Tröpfchen": in der chronischen Phase besteht eine geringere Eiterbildung. Dieser sammelt sich über Nacht in der Urethra an und tritt mit dem ersten Urin morgens aus.
- Meatus urethrae externus gerötet und geschwollen
Gonokokken-Pharyngitis Therapie zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Therapie
Gonokokken-Pharyngitis
Die therapeutischen Möglichkeiten bei Gonorrhoe umfassen [1,7,9,10]:
Einfache Form:
- 1x Cephalosporin der 3. Gen., beta-Laktamase-stabil (z.B. 1 x 400mg Cefixim p.o.)
- alternativ: Ceftriaxon 1 x 125mg i.m., Cefotaxim 1 x 500mg i.m., 1x 400mg Ofloxacin p.o., 1 x 500mg Ciprofloxacin p.o., 1 x 250mg Levofloxacin p.o.
- bei Therapieversagen höhere Dosis (2 x 400mg Cefixim/Tag p.o.) oder alternativ Ceftriaxon (1x 2 g i.m.) [7]
- in Gebieten mit erhöhter Resistenzrate: Spectinomycin 2g i.m. oder Ceftriaxon 250mg i.m.
- bei zusätzlicher Chlamydieninfektion: Doxycyclin 2 x 100mg/Tag p.o. für 7 Tage oder einmalig Azithromycin 1g p.o.
disseminierte Form [10]:
- Ceftriaxon einmalig 2g i.v. oder Cefotaxim 3 x 1g i.v.
- alternativ: Ciprofloxacin 2 x 400mg i.v. bis 24h nachdem klinische Besserung eingetreten ist. Anchließend weiter mit Cefixim 2 x 400mg p.o.
- Außerdem Doxyxyclin oder Azithromycien gegen Chlamydien
allgemein:
- Abstrichentnahme nach einer Woche zur Therapiekontrolle
- immer Mitbehandlung des Partners
- nach 6-8 Wochen TPHA-Test mit Frage nach gleichzeitigter Lues-Infektion
- aufgrund steigender Resistenzraten wird heute kaum noch Penicillin eingesetzt [1]
Gonokokken-Pharyngitis Komplikationen zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Komplikationen
Gonokokken-Pharyngitis
Die Gonorrhoe kann folgende Komplikationen verursachen:
bei der Frau:
- Verwachsungen nach aufgestiegenen Infektionen, dadurch chronische Unterbauchschmerzen, sekundäre Sterilität (ca. 20% nach einmaliger PID, 75% nach dreimaliger PID) und Extrauteringravidität mgl.
- Perihepatitis acuta gonorrhoica (Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom); Laparoskopie: Adhäsionen, auch "violon strings" genannt
- bei schwangeren Frauen: vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburt, Chorioamnionitis, Abort
beim Mann:
- Harnröhrenstriktur
- Reiter-Syndrom (Arthritis, Konjunktivitis, Urethritis)
- Infertilität (durch Epididymitis)
Beide Geschlechter:
- bei disseminierter Form: Endokarditis, Perimyokarditis, Iritis, Iridozyklitis, Meningitis, Pneumonie mgl. (selten)
bei Neugeborenen:
- Erblindung
Gonokokken-Pharyngitis Zusatzhinweise zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Zusatzhinweise
Gonokokken-Pharyngitis
Folgende Zusatzhinweise zur Gonorrhoe liegen vor:
- bei Therapie gute Prognose
- Eine durchgemachte Infektion hinterlässt keine Immunität [1].
- Die Meldepflicht für Gonorrhoe wurde aufgehoben
- Prophylaxe: Kondome, Infizierte sollten bis zur Erregereradikation keinen Geschlechtsverkehr haben
- cave: bei Kindern und Jugendlichen mit Gonorrhoe muss an einen sexuellen Missbrauch gedacht werden
- Gonokokken können nur überleben, wenn sie im warmen, dunklen Milieu bleiben. Außerhalb sind sie sehr empfindlich! Daher ist schneller Transport des Untersuchungsmarterials ins Labor nötig. [2]
- Resistenzen werden meist durch Beta-Laktamasen verursacht.
- Cave: Koinfektionen mit anderen Geschlechtskrankheiten (z.B. HIV, Lues, Chlamydien, Ureaplasma) sind möglich und sollten bei der Diagnostik berücksichtigt werden; nach Therapie gegen Gonokokken kann daher eine eine postgonorrhoische Urethritis (PGU) auftreten
- hochinfektiöses Sekret kann hinter fest zugekniffenen Lidern angestaut sein u. bei passiven Öffnen d. Lider durch den Untersucher herausspritzen, darum Schutzbrille beim Verbandswechsel!
- Gonokokken können die Anfälligkeit für eine HIV-Infektion erhöhen. [8]
- Historisches: Gonokokken wurden erstmals durch Albert Neisser 1879 beschrieben. Die Krankheit selbst ist seit etwa 3500-4000 Jahren bekannt [6]
Gonokokken-Pharyngitis Literaturquellen zu:
Gonokokken-Pharyngitis
Literaturquellen
Gonokokken-Pharyngitis
- (2010/2011) Haag - Gynäkologie und Urologie - Medizinische Verlags- und Informationsdienste Breisach
- (2005) Hof, Dörries - Medizinische Mikrobiologie - Thieme Verlag, Stuttgart
- (2005) Braun-Falco - Dermatologie und Venerologie - Springer Verlag
- (2004) Hahn - Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie - Springer Verlag
- (2010) Wetzler - Neisseria: Molecular Mechanisms of Pathogenesis - Caister Academic Press
- (2008) Kruger - Clinical Gynaecology - Juta and Company Ltd.
- Robert-Koch Institut - Epidemiologisches Bulletin März 2009, Nr. 13
- Fleming, Wasserheit (1999) - HIV infection and other STDs: so close and yet so far. - Sex Transm Dis. 1999 Nov;26(10):549-50.
- (2010) Fleisher, Ludwig - Textbook of Pediatric Emergency Medicine - Lippincott Williams & Wilkins
- (2010) Frand, Daschner - Antibiotika am Krankenbett - Springer
- (2007) Isaacs - Evidence-Based Pediatric Infectious Diseases - John Wiley and Sons
Gonokokken-Pharyngitis
Assoziierte Krankheitsbilder zu Gonokokken-Pharyngitis
- Streptokokken der Gruppe B bei Neu- und Frühgeborenen
- Akute Pharyngitis
- Akute Pharyngitis
- Angina herpetica
- Candidamykose der Vagina
- Chronische Pharyngitis
- Diphtherie (Pharyngitis)
- Lues
- Soor-Stomatitis
- Streptokokken der Gruppe B in der Schwangerschaft
- Syphilis
- Trichomonaden
- Trichomonaden in der Schwangerschaft
- Tuberkulose
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Am häufigsten aufgerufene Krankheitsbilder in Hals, Nasen, Ohren
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