Gliedergürteldystrophie
Definition
Gliedergürteldystrophie
Die Gliedergürteldystrophie ist eine heterogene Gruppe genetisch bedingter, fortschreitender Myopathien, die insbesondere die Muskulatur des Schulter und Beckengürtels betrifft.
Mit fortschreitender Erkrankung können auch die Extremitäten betroffen sein, so dass ein Verlust der Gehfähigkeit auftreten kann.
Gliedergürteldystrophie
Ätiologie
Gliedergürteldystrophie
Die Ursachen der Gliedergürteldystrophie sind:
- genetischer Defekt
- autosomal- rezessiv, seltener autosomal-dominant vererbt
- Genort für einen Subtyp ist auf Chromosom 2 lokalisiert
- als Genprodukt ist das muskelspezifische Calpain identifiziert worden
- weitere Genorte liegen auf den Chromosomen 4,13,15 und 17 mit den Genprodukten α,β,und γ Sacroglycan
Gliedergürteldystrophie Epidemiologie zu:
Gliedergürteldystrophie
Epidemiologie
Gliedergürteldystrophie
Genaue epidemiologische Daten zur Gliedergürteldystrophie sind zur Zeit nicht verfügbar.
- befällt beide Geschlechter gleichermaßen
- Erkrankungsalter streut von der frühen Kindheit bis zur Lebensmitte
Gliedergürteldystrophie Differentialdiagnosen zu:
Gliedergürteldystrophie
Differentialdiagnosen
Gliedergürteldystrophie
Gliedergürteldystrophie Anamnese zu:
Gliedergürteldystrophie
Anamnese
Gliedergürteldystrophie
Bei der Gliedergürteldystrophie sind folgende Informationen von Bedeutung:
- eingeschränkte Gehfähigkeit?
- Dystrophie im Schultergürtel?
Gliedergürteldystrophie Diagnostik zu:
Gliedergürteldystrophie
Diagnostik
Gliedergürteldystrophie
Zur diagnostischen Abklärung der Gliedergürteldystrophie sind relevant:
- EMG: myopathisch
- Labor: Kreatinkinase ist deutlich erhöht
- in der Muskelbiopsie können Sacroglykane nachgewiesen werden
Gliedergürteldystrophie Klinik zu:
Gliedergürteldystrophie
Klinik
Gliedergürteldystrophie
Die Gliedergürteldystrophie kann eine oder mehrere der folgenden Symptome zeigen:
Typ | Genort | Betroffenes Genprodukt | Manifestation (Alter) | Leitsymptome | Prognose |
---|---|---|---|---|---|
LGMD1 A | 5q22–q34 | Myotilin | 18–35 | Schwäche hüftnaher Beinmuskeln, Jahre später sind Armmuskeln betroffen; Schwäche von Gesichts- und Schlundmuskeln bei 20 %, Dysarthriebei 25 % | Rollstuhlabhängigkeit etwa 20 Jahre nach Beginn, meist normale Lebenserwartung |
LGMD1 B | 1q11–21 | Lamin A/C | 4–30 | Schwächen in Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln, in zwei Drittel der Fälle Reizüberleitungsstörungen des Herzen und möglicherweise Herzmuskelschwäche mit Erweiterung des Herzen (dilatative Kardiomyopathie) | Lebenslange Gehfähigkeit, jedoch Risiko des plötzlichen Herztods um 50–60 Jahre |
LGMD1 C | 3p25 | Caveolin-3 | 2–20–70 | Stammnahe Muskelschwäche, Wadenkrämpfe, Wadenpseudohypertrophie | wahrscheinlich lebenslange Gehfähigkeit und normale Lebenserwartung |
LGMD1 D | 6q23 | nicht bekannt | 20–25, selten unter 20 | Herzrhythmusstörungen und Kardiomyopathie später zusätzliche stammnahe Muskelschwächen | Plötzlicher Tod durch Av Block,ventrikuläre Tachykardie oder Kardiomyopathie möglich |
LGMD1 E | 7q | nicht bekannt | 10–30 | Hüftnahe Beinmuskelschwäche | |
LGMD1 F | 7q32.1–32.2 | nicht bekannt | unter 1–58 | Beckengürtel-, Schultergürtelmuskelschwäche | |
LGMD2 A | 15q15.1–21.1 | Calpain-3 | 3–10–30 | Schwäche der Hüft- und Oberschenkelmuskeln, auch Rumpfmuskulatur betroffen, Schultermuskulatur oft 2–5 Jahre später, häufig auch Kontrakturen der Wirbelsäule, Fußgelenke, Ellenbogen und Hände | rascher oder langsamer Verlauf, entsprechend Tod um 20. Lebensjahr möglich, sonst in der 8. Lebensdekade, früher Beginn bedeutet nicht automatisch rasches Fortschreiten |
LGMD2 B | 2p13 | Dysferlin | 13–22–35 | Schwäche vor allem der hinteren Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln, 25 % Wadenpseudohypertrophie, 2–10 Jahre später Schultermuskelschwäche | rascher oder langsamer Verlauf, in etwa 30 % Gehfähigkeit bis 26–54 Jahren, sonst bis 8. Dekade |
LGMD2 C | 13q12 | γ-Sarkoglykan | 3–12 | Muskelschwäche im Beckengürtel früher als im Schultergürtel, frühe Wadenpseudohypertrophie, später möglicherweise Gesichtsmuskeln betroffen | Gehfähigkeit in 25 % 10–15 Jahre, 50 % 15–20 Jahre, 25 % über 20 Jahre, Tod im zweiten Lebensjahrzehnt möglich |
LGMD2 D | 17q12–q21 | α-Sarkoglykan | 1–16, später | Zunehmende Muskelschwächen im Beckengürtel und Oberschenkel mit verspäteten Gehbeginn oder unsicherem Gang ähnlich wie bei Muskeldystrophie Typ Duchenne | rascher oder langsamer Verlauf, Gehfähigkeit bis 16–30 Jahre oder später, vorzeitiger Tod bei raschem Verlauf möglich |
LGMD2 E | 4q12 | β-Sarkoglykan | 3–12 | Beckengürtel eher betroffen als Schultergürtel, Wadenpseudohypertrophie | rascher oder langsamer Verlauf, Gehfähigkeit 9–14 Jahre oder bis 38 Jahre, Tod im 2.–3. Lebensjahrzehnt möglich |
LGMD2 F | 5q33–q34 | δ-Sarkoglykan | 4–10 | Zunehmende Muskelschwächen im Beckengürtel und Oberschenkel mit verspäteten Gehbeginn oder unsicherem Gang ähnlich wie bei Muskeldystrophie Typ Duchenne, Gesichtsmuskeln möglicherweise betroffen, Wadenhypertrophie | rasches Fortschreiten mit Gehfähigkeit 9–16 Jahre, Tod am Ende des ersten oder im zweiten Lebensjahrzehnt möglich |
LGMD2 G | 7q11–q12 | Telethonin | 9–15 | Neben Hüft- und Oberschenkelmuskelschwäche auch Unterschenkelmuskeln und Arm/Schultermuskeln betroffen | lange Gehfähigkeit bis 18–25 Jahre nach Beginn |
LGMD2 H | 9q31–q34 | vermutlich E3-Ubiquitin-Ligase | 1.–3. Dekade | Beckengürtel eher betroffen als Schultergürtel, möglicherweise Nacken- oder Rückenschmerzen | Gehschwierigkeiten mit 37–46 Jahren, Rollstuhlabhängigkeit im siebten Lebensjahrzehnt |
LGMD2 I | 19q13.3 | Fukutin-„related“-Protein | 1.–4 Dekade | Zunächst Schwäche der Hüft- und Oberschenkelmuskeln, später der Schulter- und Oberarmmuskeln, Wadenpseudohypertrophie, Muskelschmerzen bei Belastung, Muskelfaserzerfall | sehr unterschiedlicher Verlauf, Gehfähigkeit meist bis 30 Jahre |
LGMD2 J | 8q24 | Titin | 1.–3. Dekade | Muskelschwäche und –atrophie der Hüft- und hüftnahen Oberschenkelmuskeln | Gehverlust im 3.–5. Lebensjahrzehnt |
Gliedergürteldystrophie Therapie zu:
Gliedergürteldystrophie
Therapie
Gliedergürteldystrophie
Die therapeutischen Möglichkeiten bei der Gliedergürteldystrophie umfassen folgendes:
- da es sich um Erbkrankheiten handelt, ist eine ursächliche Therapie bis heute noch nicht möglich
- die symptomatische Behandlung konzentriert sich auf krankengymnastische Maßnahmen zum Erhalt der Muskelkraft und zur Schulung von Alltagsbewegungen, einer Hilfsmittelversorgung in Form von Orthesen oder einem Rollstuhl sowie der symptomatischen Therapie bei Reizleitungsstörungen des Herzen oder anderen Herzbeteiligungen
- bei Fehlstellungen der Füße oder der Wirbelsäule kommen insbesondere zur Wiederherstellung der Gehfähigkeit auch operative Behandlungsmaßnahmen in Frage
Gliedergürteldystrophie Komplikationen zu:
Gliedergürteldystrophie
Komplikationen
Gliedergürteldystrophie
Bei der Gliedergürteldystrophie kommen folgende Komplikationen vor:
- die Kranken sind in den letzten Lebensjahren schwer motorisch behindert
- Lebenserwartung ist verkürzt
Gliedergürteldystrophie Zusatzhinweise zu:
Gliedergürteldystrophie
Zusatzhinweise
Gliedergürteldystrophie
- Genetische Beratung : bei autosomal-rezessiver Vererbung beträgt die Chance, dass ein Kind erkrankt, wenn beide Elternteile Träger des pathologischen Gens sind, 25 %
- gesunde Kinder dieser Eltern sind dann selbst mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit Konduktoren
- pränatale Diagnostik ist noch nicht möglich
Gliedergürteldystrophie Literaturquellen zu:
Gliedergürteldystrophie
Literaturquellen
Gliedergürteldystrophie
- Poeck,Hacke, Neurologie,Springer Verlag
- Jerusalem,Zierz, Muskelerkrankungen, Thieme Verlag
- (2007) Berlit P - Basiswissen Neurologie - Springer
- (2007) Masuhr K.F.,Neumann M - Neurologie,6. Aufl. - Thieme Verlag, Duale Reihe
- (2007) Buchner H - Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen - Thieme
- (2007) Bitsch A - Neurologie "to go" - Wissenschaftliche Verlagsges
- (2006) Poeck, Hacke, - Neurologie - Springer, Berlin
- (2006) Mumenthaler M, Mattle H, - Kurzlehrbuch Neurologie - Thieme Verlag
Gliedergürteldystrophie
Assoziierte Krankheitsbilder zu Gliedergürteldystrophie
- Aufsteigende, gutartige Beckengürtelform (Becker-Kiener)
- Kongenitale Muskeldystrophie
- Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie
- Myopathia distalis hereditaria tarda
- Myopathia distalis juvenilis hereditaria
- Skapuloperonaeale Muskeldystrophie
- Aufsteigende, bösartige Beckengürtelform (Duchenne)
- Okuläre und okulo-pharyngeale Muskeldystrophie
Am häufigsten aufgerufene Krankheitsbilder in Neurologie
Weiterführende Links
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