Frühgeburt
Synonyme: Partus prematurus, Partus immaturus
Definition
Frühgeburt
Frühgeburt [1;2]
- wenn das Kind vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche geboren wird; also vor 37+0 SSW
- Gründe hierfür können z.B. Infektionen, Fehlbildungen des Kindes, Störungen der Plazentation oder Pathologien des Uterus sein.
Frühgeburt
Ätiologie
Frühgeburt
Risiken und Ursachen für eine Frühgeburt umfassen: [1;2]
- Aufsteigende vaginale Infektionen (Progesteronproduktion ↑→ Kontraktionen am aktivierten Uterus möglich)
- Übermäßige Dehnung des Uterus z.B. bei Mehrlingsschwangerschaften oder Polyhydramnion
- Störungen der Plazentation
- Plazentaentwicklungsstörungen
- Veränderungen des Uterus
- Fehlbildungen des Kindes
- Hypoxische Mangelzustände des Kindes (→ hohe Östrogen- und Progesteronspiegel → Aktivierung des Uterus)
- Mütterlicher Stress (Cortisolausschüttung → stimuliert COX-2→ Progesteronsynthese↑ → Kontraktionen am aktivierten Uterus möglich)
Frühgeburt Epidemiologie zu:
Frühgeburt
Epidemiologie
Frühgeburt
Epidemiologische Daten zur Frühgeburt [1;2]
- 70-75 % Anteil an perinataler Sterblichkeit
- Vorzeitige Wehen in 7- 10% aller Schwangerschaften
Frühgeburt Differentialdiagnosen zu:
Frühgeburt
Differentialdiagnosen
Frühgeburt
- Habitueller Abort
- Abortus incipiens, incompletus, completus
- Septischer Abort
- Abortus imminens (drohender Abort)
Frühgeburt Anamnese zu:
Frühgeburt
Anamnese
Frühgeburt
- In welcher Schwangerschaftswoche befindet sich die Patientin?
- Hat die Patientin Wehen?
- Wann traten diese zuerst auf; gab es einen Auslöser (z.B. Sturz)?
- In welchen Abständen treten sie auf?
- Haben die Wehen steigende Intensität?
- Verstärken sich die Wehen bei bestimmten Tätigkeiten/ Maßnahmen (z.B. warme Badewanne)?
- Hat die Patientin vaginale Blutungen?
- Besteht vaginaler Ausfluss (wässrig) mit V.a. vorzeitigen Blasensprung?
- Besteht eine Mehrlingsschwangerschaft?
- Wann war die letzte Schwangerenvorsorgeuntersuchung?
- Wo fand diese statt? (Gynäkologe oder Hebamme)
- Wann fand die letzte sonographische Untersuchung statt?
- Wurde bei den letzten Untersuchungen der V.a. eine Mangelversorgung oder Fehlbildungen des Kindes geäußert?
- Bestehen bekannte Erkrankungen des Kindes?
- Welche sind das?
- Bestehen bekannte Erkrankungen der Patientin, z.B. des Uterus?
- Welche sind das?
- Wie, womit und in welcher Dosierung wird behandelt (wenn nötig)?
- Hatte die Patientin vaginale Infektionen während oder kurz vor der Schwangerschaft?
- Wie und wurden diese behandelt?
- Ist dies die erste Schwangerschaft der Patientin?
- Wie viele Schwangerschaften und Geburten gab es vorher?
- Gab es Fehlgeburten?
- Wie viele?
- Gab es bekannte Gründe für diese Fehlgeburten?
- Traten bei evtl. vorangehenden Geburten Schwierigkeiten auf (vorzeitige Wehen, Frühgeburt)?
- Welche waren das?
Frühgeburt Diagnostik zu:
Frühgeburt
Diagnostik
Frühgeburt
Diagnostik bei V.a. eine drohende Frühgeburt [2;3]
Auf vaginale Untersuchung sollte verzichtet werden! (Infektionsrisiko!)
Klinik und Anamnese beachten.
1. CTG [2;3;5]
- Beurteilung drohender kindlicher Gefährdung, z.B. durch Hypoxie
- Beurteilung der Wehentätigkeit
- Beurteilung der kindlichen Herzfrequenz
2. Sonographie, abdominell [2;3;6;7]
- V.a. Wachstumsstörungen/ Entwicklungsstörungen
- V.a. Präeklampsie
- Beurteilung der fetalen Herzfrequenz (Doppler)
- Beurteilung der Schwangerschaft allgemein
- Beurteilung von Herzfehlern (Doppler)
- Beurteilung der Fruchtwassermenge
- Bei V.a. mütterliche Infektionen
evtl. Sonographie, vaginal [2;3]
- Beurteilung Zervixlänge und Form
3. Spekulum- Einstellung [2;3]
- Entnahme eines Abstrichs bei V.a. Infektionen
- Beurteilung des Fibronektins
- Beurteilung Fruchtwasserabgang (Amnicheck)
- Beurteilung der Blutung
4. Labor
- CRP (DD: Amnioninfekt- Syndrom)
- Leukozyten (DD: Amnioninfekt- Syndrom)
- Blutgruppe
- Hb
- Gerinnung
- Urinsediment
- Bakteriologie des Abstrichs (s.o.)
Frühgeburt Klinik zu:
Frühgeburt
Klinik
Frühgeburt
Klinik/ Anzeichen bei/ für drohender Frühgeburt [1;2;3]
- ≥ 4 Wehen in 30 Min., die im CTG aufgezeichnet oder klar verspürt wurden
- Auflockerung / Verkürzung der Zervix < 25mm
- und/oder Trichterbildung der Zervix
- vorzeitiger Blasensprung
Frühgeburt Therapie zu:
Frühgeburt
Therapie
Frühgeburt
Vorgehen bei drohender Frühgeburt [1]
Empfehlung der Fachgesellschaften: Maßnahmen nur von den erfahrensten Neonatologen und Geburtshelfern durchführen lassen!
Nach der 34. Schwangerschaftswoche (SSW) [1;2]
- keine Tokolyse indiziert
- bei fetalen Problemen u.U. Verlegung in ein Perinatalzentrum
24+0 bis 34+0 SSW [1;2]
- ab 24+0 steigen die Überlebenschancen auf ca. 60% [4]
- grundsätzlich soll versucht werden, das Leben zu erhalten [4]
- Tokolyse: z.B. Fenoterol i.v. mit Perfusor mit 2 μg/ min. beginnen, dann alle 20 Min. um 0,8 μg steigern. Max.: 4 μg/ min.; oder Bolustokolyse mit Perfusor: alle 3 Min. 3-5 μg
- Lungenreifeinduktion: 2x 12mg Betamethason im Abstand von 24 Stunden
- Kontraindikationen für beide Maßnahmen: intrauterine Infektionen (Amnioninfektsyndrom), Fruchttod, Fetus nicht überlebensfähig (Fehlbildungen), mütterliche oder kindliche Indikationen zur Beendigung der Schwangerschaft
- Antibiotikaprophylaxe bei intakter Fruchtblase ohne Infektionszeichen: z.B. Ampicillin i.v.
- Cerclage: abwägen
- Sectio: 24+0- 24+6: individuell entscheiden; ab 25+0: empfohlen. Dann Bolustokolyse mit NO- Donator unmittelbar vor Uterotomie: z.B. 0,8 mg Nitroglycerin sublingual
- Beckenendlage: Sectio empfohlen
23.-24-SSW [2]
- In Einzelfällen Tokolyse und Lungenreifeinduktion wie oben
- Keine Sectio empfohlen
Ab 22. bis 23+6/7 [4]
- Kinder überleben in bis zu 50% der Fälle
- 20-30% der Kinder haben aber schwere Gesundheitsstörungen
- Vorgehen nach ethischen Grundsätzen mit den Eltern ausführlich besprechen und dokumentieren.
- Wenn für das Kind Überlebenschancen bestehen, sollen lebenserhaltende Maßnahmen ergriffen werden.
- Bei nicht mit dem Leben vereinbaren eindeutigen Gesundheitsstörungen müssen nicht zwangsläufig lebenserhaltende Maßnahmen ergriffen werden.
- Bei extremer Unreife des Feten müssen nicht unbedingt lebenserhaltende Maßnahmen ergriffen werden.
- Wichtig: Eltern mit in die Entscheidung einbeziehen!
- Ausführliche Aufklärung der Eltern!
- Notfalls Rechtsabteilung der zuständigen Ärztekammer befragen.
Vor der 22. SSW
- Überleben der Kinder nur in Ausnahmefällen
- Vorgehen (je nach SSW) in Anlehnung an vorherigen Abschnitt empfohlen
Frühgeburt Komplikationen zu:
Frühgeburt
Komplikationen
Frühgeburt
Mögliche Komplikationen bei Frühgeburt [1;2]
- Tod des Kindes
- Tod der Mutter durch z.B. perinatale Blutungen und bei Placenta praevia
- Nabelschnurkomplikationen
- Atemnotsyndrom des Kindes
- Retinopathia praematurorum
- Infektionen
- Hypothermie
- Hypervolämie
- Elektrolytstörungen
- Unreife des Darmes/ Nekrotisierende Enterokolitis
- Gedeihstörungen
- Bleibende Gesundheitssörungen/ Behinderungen
Frühgeburt Zusatzhinweise zu:
Frühgeburt
Zusatzhinweise
Frühgeburt
Frühgeburt Literaturquellen zu:
Frühgeburt
Literaturquellen
Frühgeburt
- AWMF Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Medikamentöse Wehenhemmung bei drohender Frühgeburt; Register Nr. 015/ 025; Stand 08/2008
- Journal für Fertilität und Reproduktion 2003;13 (4), 34-39: Vorzeitige Wehentätigkeit: Grundlagen, Klinik, Diagnostik und Therapie; Pieber D., Afschar P.
- Speculum- Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2003; 21 (2) : Leitlinien zum Management der drohenden Frühgeburt; H. Helmer
- AWMF Leitlinien gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Perinatale Medizin, Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin: Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit des Kindes; Register Nr. 024/019; Stand 12/2007
- AWMF Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe; AG der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin und AG für Materno- Fetale Medizin: Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt; Register Nr. 015/036; Stand 11/2007
- AWMF Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für maternofetale Medizin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Doppler- Sonographie in der Schwangerschaft; Register Nr. 015/019; Stand 07/2008
- AWMF Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, AG Medizinrecht: Ultraschalldiagnostik im Rahmen der Schwangerenvorsorge, Register Nr. 015/ 044; Stand 08/2010
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Weiterführende Links
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