Einfach-fokale Anfälle
Synonyme: Rolando-Epilepsie
Definition
Einfach-fokale Anfälle
Einfach-fokale Anfälle sind fokal umschriebene epileptische Anfälle ohne Bewusstseinsverlust und seltener Amnesie mit motorischen, sensiblen, vegetativen oder sensorischen Symptomen.
Einfach-fokale Anfälle
Ätiologie
Einfach-fokale Anfälle
Einteilung einfach-fokaler Anfälle:
- mit motorischer Symptomatik
- mit aphasischer Symptomatik
- mit sensibler Symptomatik
- mit visueller, akustischer, olfaktorischer, gustatorischer oder vegetativer Symptomatik
- Rolando-Epilepsie des Kindesalters
- Benigne Epilepsie des Kindesalters mit okzipitalen Paroxysmen
Fokale Anfälle sind meist symptomatisch. In 80-90% lässt sich bildgebend eine zugrundeliegende Läsion nachweisen:
- kongenitale Missbildungen
- Hirntumoren
- Enzephalitis
- Z.n. operativen Eingriffen
- toxische/metabolische Läsionen
- Speicherkrankheiten
- degenerative und hereditäre Erkrankungen
- idopathisch
Einfach-fokale Anfälle Epidemiologie zu:
Einfach-fokale Anfälle
Epidemiologie
Einfach-fokale Anfälle
- insgesamt 400.000 Anfallskranke in Deutschland (0,5%)
- Altersgipfel bei den einfach-fokalen Anfällen vor 15. Lj. und nach 65. Lj.
- 1/3 aller Epilepsien sind symptomatische Formen
- 5 % der Bevölkerung mit einmaligem epileptischem Anfall
- Rolando-Epilepsie: 10-25% der Epilepsien des Schulalters, Prädispositionsalter: 3.-8. Lj., 15% aller Epilepsien vor dem 15. Lj. (häufigste Form dieser Altersgruppe)
Einfach-fokale Anfälle Differentialdiagnosen zu:
Einfach-fokale Anfälle
Differentialdiagnosen
Einfach-fokale Anfälle
- Juvenile myoklonische Epilepsie
- Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie
- Migräne mit Aura
- Einfach fokale Anfälle mit sensibler oder visueller Symptomatik
- Epilepsie mit tonisch-klonischem Aufwach-Grand-mal
- Komplex partielle (psychomotorische) Anfälle
Einfach-fokale Anfälle Anamnese zu:
Einfach-fokale Anfälle
Anamnese
Einfach-fokale Anfälle
Bei der Anamnese der einfach-fokalen Anfälle sollte beachtet werden:
- bekanntes Anfallsleiden?
- Vorboten/Aura?
- Zungenbiss/unwillkürlicher Urinabgang?
- Anfallscharakteristika: Häufigkeit, Kontext des Auftretens?
- Postiktale Reorientierungsphase: Müdigkeit, psychische Veränderungen, fokale Defizite?
- Dauer und Ausmaß der aphasischen Episode bzw. der Symptomatik?
- Vorerkrankungen?
- Geburtskomplikationen?
- Stress/Infekt vor dem Ereignis?
- Kinderkrankheiten mit cerebraler Beteiligung?
- Z.n. Schädel-Hirn-Trauma?
- Familienanamnese
- soziale Anamnese (Ausbildung, Sport, Hobbies)
Einfach-fokale Anfälle Diagnostik zu:
Einfach-fokale Anfälle
Diagnostik
Einfach-fokale Anfälle
Zur diagnostischen Abklärung der einfach-fokalen Anfälle sind relevant:
- neurologische Untersuchung: genaue Anfallsanamnese, Ausschluß Zungenbiss/Einnässen, Qualifizierung der Aphasie (motorisch, sensorisch, global), Suche nach weiteren neurologischen Ausfällen (Kraftprüfung)
- Fieber messen (Infektion als Ursache?)
- Lumbalpunktion: sofort bei V.a. Meningitis oder Subarachnoidalblutung
- EEG: herdförmige, unilaterale, epilepsietypische Spike-Wave-Komplexe im Anfall, im Intervall unauffällig
- Rolando-Epilepsie des Kindesalters: zentro-temporal eingstreut einzelne spikes und multifokale oder generalisierte spike-waves, v.a. im Non-REM-Schlaf
- Benigne Epilepsie des Kindesalters mit okzipitalen Paroxysmen: okzipital paroxysmale spike-waves, durch Augenöffnen blockierbar
- Labor: bei V.a. zugrundliegenden Stoffwechselstörungen/Speicherkrankheiten (BZ, Ca, Retentionsparameter, Elektrolyte, evtl. Blutalkoholspiegel, CK, Prolaktin)
- cCT/cMRT: Ausschluß/Nachweis einer ursächlichen Hirnläsion; Klärung der DD Hirnblutung/ischämischer Hirninfarkt
Einfach-fokale Anfälle Klinik zu:
Einfach-fokale Anfälle
Klinik
Einfach-fokale Anfälle
Erwachsene Formen der einfachen-fokalen Anfälle:
Gemeinsame Merkmale:
- keine Bewusslosigkeit
- selten Amnesie für den Anfall
- mit motorischer Symptomatik:
- rhythmische klonische oder unrhythmisch myoklonische Zuckungen einzelner umschriebener Muskelgruppen, die die gesamte Halbseite erfassen können
- "March of convulsion" bei sog. Jackson-Anfällen: motorische Symptome breiten sich vom Ausgangsort langsam auf benachbarte Körperpartien aus
- evtl. komplexere Bewegungen: koordinierte tonische Drehbewegungen von Augen, Kopf und Rumpf nach kontralateral bei Adversivanfällen
- Todd-Parese postiktal: kurzfristig andauernde Parese der betroffenen Muskelgruppen
- rhythmische klonische oder unrhythmisch myoklonische Zuckungen einzelner umschriebener Muskelgruppen, die die gesamte Halbseite erfassen können
- mit aphasischer Symptomatik:
- Unterbrechung der Sprache ("speech arrest")
- repetitive, kurze, gleichförmige Silben
- Wortfragmente
- Aphasie kann postiktal andauern (analog zu Todd-Parese bei motorischen Anfällen, vom Anfall nur durch EEG zu unterscheiden)
- Unterbrechung der Sprache ("speech arrest")
- mit sensibler Symptomatik:
- lokalisierte Dys- und Parästhesien
- "sensibler Jackson-Anfall": langsame Ausbreitung sensibler Symptome auf benachbarte Körperpartien
- mit visueller, akustischer, olfaktorischer, gustatorischer oder vegetativer Symptomatik:
- Lichtblitze, Blindheit, akustische Signale
- komplexe Sensationen mit Blidverzerrungen, Metarmorphopsien bzw. Hören von Klängen oder Musik
- "Isolierte Auren": Verkennungen, déja-vu-Erlebnisse, Derealisationsphänomene, affektive Störungen, Halluzinationen
Kindliche Formen der einfachen-fokalen Anfälle:
- Rolando-Epilepsie des Kindesalters:
- stereotype sensible oder motorische einfach fokale Anfälle ohne Aura, in 50% Bewusstseinsstörungen
- Benigne Epilepsie des Kindesalters mit okzipitalen Paroxysmen:
- visuelle und motorische Symptome, häufig Bewusstseinsstörungen mit postiktalen Kopfschmerzen
Einfach-fokale Anfälle Therapie zu:
Einfach-fokale Anfälle
Therapie
Einfach-fokale Anfälle
Die Behandlung der einfach-fokalen Anfälle umfasst folgendes:
Medikamentöse Therapie nur bei chronisch-rezidivierenden epileptischen Anfällen nach dem 2. Anfall!
Ausnahme: symptomatische Anfälle → nach 1. Anfall
Erwachsene Formen:
- Beginn: Monotherapie mit Oxcarbazepin, Carbamazepin (1.Wahl), Valproat, Phenytoin, Levetiracetam (2.Wahl)
- bei ausbleibendem Therapieerfolg: Kombination mit Lamotrigin
- Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung:
Resektion von Tumoren, diätetische Einstellung bei Speichererkrankungen, antientzündliche/antiinfektiöse Therapie
Kindliche Formen:
- abendliche Einmalgabe von Phenytoin oder Carbamazepin oder Sultiam
Einfach-fokale Anfälle Komplikationen zu:
Einfach-fokale Anfälle
Komplikationen
Einfach-fokale Anfälle
Komplikationen bei einfach-fokalen Anfällen sind:
- sekundäre Generalisation des primär partiellen Anfalls
- protrahierte Todd-Parese, Aphasie
- fokaler Status epilepticus
Einfach-fokale Anfälle Zusatzhinweise zu:
Einfach-fokale Anfälle
Zusatzhinweise
Einfach-fokale Anfälle
- Cave bei den einfach-fokalen Anfällen: auf riskante, eigen- und fremdgefährdende Tätigkeiten hinweisen: Schwimmen, Bedienung technischer Geräte
- kindliche Formen: normale Entwicklung, gutes Ansprechen auf Therapie, häufig spontane Ausheilung vor dem 15.-16. Lebensjahr
Einfach-fokale Anfälle Literaturquellen zu:
Einfach-fokale Anfälle
Literaturquellen
Einfach-fokale Anfälle
1. Grehl H, Reinhardt F (2008) - Checkliste Neurologie, 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage - Georg Thieme Verlag, Stuttgart
2. Poeck K, Hacke W (2006) – Neurologie, 12. aktualisierte und erweiterte Auflage – Springer Medizin Verlag, Heidelberg
Einfach-fokale Anfälle
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Weiterführende Links
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