Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Synonyme: Hirnblutung, intracerebrale Blutung, ICB
Definition
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Spontane Blutungen in das Hirnparenchym, die nicht traumatisch bedingt sind, vielfältige Ursachen haben können und an bestimmten Lokalisationen bevorzugt auftreten.
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Ätiologie
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Ursachen der spontanen intrazerebralen Blutungen sind:
- arterielle Hypertonie
- Gefäßkrankheiten:
- Amyloidangiopathie
- Amyloidose
- Arteriitis
- Dissektion
- Gefäßfehlbildungen
- Blutkrankheiten und Gerinnungsstörungen:
- Antikoagulanzien
- Aspirin
- Thrombolytische Therapie
- DIC
- Hämophilie
- Leukämie
- Sichelzellanämie
- Thrombozytopenie
- Anti-Kardiolipinantikörper
- Intoxikationen:
- Alkohol
- Amphetamine
- Kohlenmonoxid
- Kokain
- Crack
- Ecstasy
- Adrenalin
- Monoaminooxidasehemmer
- Sympatikomimetika
- Tumoren:
- Melanom- und Karzinommetastasen
- Ependymome
- Meningeosis
- Venenthrombose:
- Hormonelle Schwankungen
- Schwangerschaft
- Eklampsie
- Kontrazeptiva
Typische Lokalisationen:
- Stammganglienblutungen
- Lobärhämatome
- Kleinhirnblutungen
- Hirnstammblutungen
- intraventrikuläre Blutungen
- Blutungsbeteiligung bei subarachnoidaler Blutung
Pathophysiologie:
- hypertensive Massenblutung: → v.a. in von Perforansarterien versorgten Hirnabschnitten: Basalganglien (ca. 40%), dem subkortikalen Marklager (25%), dem Thalamus (20%), dem Zerebellum (10%) und der Brücke (5%)
- Amyloidangiopathie: → v.a. mittelgroße Arterien betroffen: Lobärhämatome
- Gefäßfehlbildungen: bluten mit einer Wahrscheinlichkeit von 2% pro Jahr
- Antikoagulanzien/Thrombolytika: sind für 5 bis 10% aller ICB verantwortlich
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Epidemiologie zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Epidemiologie
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Die spontanen intrazerebralen Blutungen sind relativ selten:
- spontane ICB sind in 15% Ursache eines Schlaganfalls
- Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen
- Inzidenz: 15-20/100.000 pro Jahr (weiße Bevölkerung)
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Differentialdiagnosen zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Differentialdiagnosen
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
- Maligne Hirntumoren
- Solide Metastasen
- Akute Subarachnoidalblutung
- Warnblutung bei Subarachnoidalblutung
- Arteriovenöse Fehlbildungen (spinal)
- Thrombose der inneren Hirnvenen
- Sinus-cavernosus-Thrombose
- Sinus-transversus-Thrombose
- Sinus-sagittalis-superior-Thrombose
- Septische Thrombose des Sinus cavernosus
- Septische Thrombose des Sinus transversus
- Kleinhirnblutung
- Thalamusblutung
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Anamnese zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Anamnese
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Bei den spontanen intrazerebralen Blutungen sind folgende Informationen von Bedeutung:
- kardiovaskuläre Risikofaktoren?
- Kopfschmerzen?
- epileptische Anfälle?
- Lähmungen?
- Gefühlsstörungen/Missempfindungen?
- bekanntes Gefäßleiden?
- Drogen-/Medikamentenabusus?
- Medikamentenanamnese (Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmer, hormonelle Kontrazeptiva)?
- Familienanamnese
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Diagnostik zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Diagnostik
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Zur diagnostischen Abklärung der spontanen intrazerebralen Blutungen sind relevant:
- neurologische Untersuchung: Prüfung von Motorik, Sensorik, Reflexe, Vigilanz und Orientierung; Meningismuszeichen?; HN-Untersuchung (Okulo-/Pupillomotorik, Funduskopie [Stauungspapille?])
- bildgebende Verfahren: cCT nativ: Blutungen imponieren als deutlich hyperdens, evtl. Kontroll-CT nach 24 h ; cMRT und MRA als Mittel der Wahl jedoch in Akutsituation oft zu zeitaufwändig, Angiographie (DSA) bei V.a. Gefäßfehlbildung
- Liquorpunktion: evtl. xanthochrom bei Ventrikeleinbruch
- Labor: Gerinnungsanalyse, rotes und weißes
Blutbild, Drogen-Screening bei jungen Patienten
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Klinik zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Klinik
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Die spontanen intrazerebralen Blutungen können eine oder mehrere der folgenden Symptome zeigen:
Symptome abhängig von Lokalisation und Ausmaß der Blutung:
- Stammganglienblutungen:
- Kopfschmerzen und Erbrechen als typische Initialsymptome
- Progressive Hemiparese
- Blickwendung zur betroffenen Seite
- homonyme Gesichtsfeldausfälle
- evtl. globale Aphasie
- Koma/Herniation/Hirntod bei großen Stammganglienblutungen (> 50cm3)
- Lobärhämatome:
- hochgradige Hemiparese
- Aphasie
- Hemianopsie
- Sensibilitätsstörungen,
- fokale Anfälle
- unruhige Verwirrtheit
- Patienten meist > 65 Jahre
- Kleinhirnblutungen:
- Ataxie
- Schwindel
- Nystagmus
- Bewusstlosigkeit bei Kompression des 4. Ventrikels
- Pupillenstörung
- Blicklähmung
- Hemiparese
- doppelseitige Pyramidenbahnzeichen
- Thalamusblutungen:
- kontralaterale Sensibilitätsstörungen
- Bewusstseinsstörungen
- Hemiparese
- positive bilaterale Pyramidenbahnzeichen
- vertikale Blickparesen mit kleinen, aber reaktiven Pupillen
- Hirnstammblutungen:
- tiefes Koma
- Streck- und Beugesynergismen
- Pupillenstörungen
- gestörter okulozephaler Reflex
- Atemstörung
- Tetraplegie
- auch ähnlich Kleinhirnblutungen
- intraventrikuläre Blutungen:
- meist Begleitblutung bei einer der anderen Formen; selten isoliert, dann:
- Kopfschmerzen, Benommenheit
sowie Nackensteifigkeit
- Kopfschmerzen, Benommenheit
- meist Begleitblutung bei einer der anderen Formen; selten isoliert, dann:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Therapie zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Therapie
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Die therapeutischen Möglichkeiten der spontanen intrazerebralen Blutungen umfassen folgendes:
Konservative Therapie:
- Ventrikeldrainage und intraventrikuläre Lyse mit rt-PA
- künstliche Beatmung
- Hirndrucktherapie mit Analgesie, Hochlagerung des Kopfes und Osmotherapie (Mannitol, Barbiturate, Tris.Puffer auch 40–80 mg Dexamethason im Bolus, gefolgt von 2-mal 16 mg pro Tag, über 7–10 Tage ausschleichen)
- Blutdrucksenkung: im Ggs. zu ischämischen Infarkt Normotonie anstreben (Urapidil, β-Blocker)
- Antikonvulsive Prophylaxe: Phenytoin-
Schnellaufsättigung (750 mg Kurzinfusion, danach 3-mal 250 mg pro Tag, gesteuert nach Serumspiegel) - Vermeidung von Hyperglykämien
- Prophylaxe von Stressulzera durch PPI und H2-Antagonisten
- Heparin zur Thromboseprophylaxe
- Gabe von Faktor VIIa konnte in Studien das Nachblutungsrisiko um 50% senken
Chirurgische Therapie:
- offene Evakuation des eingebluteten Areals (ab einem Volumen > 10 ml)
- Ausnahmen:
- kleine Hämatome
- initial komatöse Patienten
- Patienten mit linkshirnigen Blutungen
- alternativ: stereotaktische und endoskopische Blutungsentfernung
Adjuvante Therapie:
- Krankengymnastik
- Logopädie
- Ergotherapie
- Einstellung der Risikofaktoren
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Komplikationen zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Komplikationen
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Komplikationen der spontanen intrazerebralen Blutungen sind:
- Hirnödem mit Einklemmungsgefahr →
- Koma
- Tod
- Ventrikelblutung mit Gefahr des Hydrocephalus occlusus
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Zusatzhinweise zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Zusatzhinweise
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Prognose:
- 40% der Patienten mit einer ICB erleben innerhalb von 24h eine Nachblutung
- durchschnittliche Mortalität: i 30–50%
- bei Hämatomen > 100 ml: 90%!
- ungünstige Langzeitprognose: nach 3 Jahren leben noch 35% der Patienten
- nur 15-20% überleben ohne wesentliche Behinderungen
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS Literaturquellen zu:
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
Literaturquellen
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
1. Poeck K, Hacke W (2006) – Neurologie, 12. aktualisierte und erweiterte Auflage – Springer Medizin Verlag, Heidelberg
- (2007) Berlit P - Basiswissen Neurologie - Springer
- (2007) Masuhr K.F.,Neumann M - Neurologie,6. Aufl. - Thieme Verlag, Duale Reihe
- (2007) Buchner H - Neurologische Leitsymptome und diagnostische Entscheidungen - Thieme
- (2007) Bitsch A - Neurologie "to go" - Wissenschaftliche Verlagsges
- (2006) Poeck, Hacke, - Neurologie - Springer, Berlin
- (2006) Mumenthaler M, Mattle H, - Kurzlehrbuch Neurologie - Thieme Verlag
Blutungen an bestimmten Lokalisationen des ZNS
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Weiterführende Links
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