Atopische Dermatitis
Synonyme: atopisches Ekzem, Neurodermitis, Neorodermatitis diffusa, Neurodermatitis constitutionalis sive atopica, endogenes Ekzem, Atopisches-Ekzem-Dermatitis-Syndrom (AEDS), Prurigo Besnier
Definition
Atopische Dermatitis
Die atopische Dermatitis (auch Neurodermitis genannt) ist eine chronisch-rezidivierende Atopie der Haut. Symptomatisch ist eine saisonal trockene, gereizte Haut mit starkem Juckreiz. Die Manifestation erfolgt in den ersten Lebensjahren.
Atopische Dermatitis
Ätiologie
Atopische Dermatitis
Die atopische Dermatitis ist eine chronische oder chronisch-rezidivierende, nicht kontagiöse Hauterkrankung mit genetischer Prädisposition.
Provokationsfaktoren bei der atopischen Dermatitis sind:
- mechanische Reize auf der Haut
- Textilien
- Schwitzen
- Allergien
- Umweltallergenen (z. B. Pollen, Tierhaare, Hausstaubmilben, Schimmelpilze)
- Nahrungsmittel, -zusatzstoffe
- Staphylokokkus aureus
- Infekte
- psychischer Stress
- klimatische Faktoren: Kälte, Hitze
- UV-Licht
- hormonelle Faktoren (Schwangerschaft, Menstruation)
- Alkohol
Ätiologisch werden zwei Formen unterschieden:
- Extrinsisch Form: Sensibilisierungen gegen bestimmte Allergene (Nahrungsmittel, Aeroallergene).
- Intrinsische Form: Nicht IgE-assoziierte Erkrankung.
- Superinfektionen (meist Staphylokokken) treten häufig auf.
Atopische Dermatitis Epidemiologie zu:
Atopische Dermatitis
Epidemiologie
Atopische Dermatitis
- Die Prävalenz der atopischen Dermatitis liegt zwischen 8% und 16%.
Atopische Dermatitis Differentialdiagnosen zu:
Atopische Dermatitis
Differentialdiagnosen
Atopische Dermatitis
- Nummuläres Ekzem
- Seborrhoisches Ekzem
- Chronisches allergisches Kontaktekzem
- Akute allergische Kontaktdermatitis
- Akute toxische Kontaktdermatitis
- Windeldermatitis
- Allergische Kontaktstomatitis
- Skabies
- Tinea manus et pedis
- Tinea corporis
- Skabies
- Mykotische Vulvovaginitis
- Windeldermatitis
- Allergisches Kontaktekzem
- Exsikkationsekzem
- Tinea capitis
- Tinea faciei et corporis
Atopische Dermatitis Anamnese zu:
Atopische Dermatitis
Anamnese
Atopische Dermatitis
Bei der atopischen Dermatitis sind folgende Informationen von Bedeutung:
- Erstmanifestation?
- Juckreiz?
- unscharf begrenzte Rötungen?
- nässende Areale?
- punkt- / strichförmige Exkoriationen?
- Kombination mit Rhinokonjunctivitis allergica, allergischem Asthma bronchiale, Nahrungsmittelallergie? Atopiker-Familie?
- Provokation durch Hautirritation, Textilien aus Wolle, Schwitzen, falsche Hautreinigung, etc.?
- Verschlechterung durch Kälte und/oder Trockenheit, Schwüle?
- Einfluss von Stress?
- Familienanamnese
- Eigenmedikation? Bisherige Therapie? Mit welchem Erfolg?
Atopische Dermatitis Diagnostik zu:
Atopische Dermatitis
Diagnostik
Atopische Dermatitis
Zur diagnostischen Abklärung der atopischen Dermatitis sind relevant
- Anamnese (Eigen- und Familienanamnese)
- komplette Hautuntersuchung: Kinder bis 2 Jahre meist Ekzeme im Gesicht, Kapillitiums, streckseitige Extremitäten; später häufig Beugenekzeme; bei Erwachsenen auch Handekzeme; Minimalvarianten möglich (nur Lippen/Ohrläppchen etc.)
- ggf. Allergiediagnostik, Pricktest
- Laborbefunde: Eosinophilie, Gesamt-IgE ↑, allergenspezifische IgE-Antikörper ↑
- evtl. Hautbiopsie (differentialdiagnostisch)
Atopische Dermatitis Klinik zu:
Atopische Dermatitis
Klinik
Atopische Dermatitis
Die atopische Dermatitis kann folgende Symptome zeigen:
Atopische Dermatitis im Säuglingsalter (Eczema infantum):
- Manifestation: meist nach den ersten 3 Lebensmonaten.
- Prädilektionsstellen: Gesicht, Stirn, behaarter Kopf, seitliche Wangenregion, später können auch die Steckseiten und die Windelgegend befallen sein.
- Symptome: Juckreiz (erst ab dem 3. bis 6. Lebensmonat entwickeln die Säuglinge die Fähigkeit zu kratzen), die Kinder sind meist unruhig, weinerlich, leiden unter Schlaflosigkeit.
- Klinik: Auftreten von Milchschorf (frühe Form des atopischen Ekzems), nässende und verkrustende Hautveränderungen; evtl. Erythrodermie des Säuglings.
Atopische Dermatitis im Kindesalter:
- Klinisches Bild: Beugenekzem mit intensiven dauerhaften Herden.
- Symptome: trockene Haut, ausgeprägter Juckreiz, feine Schuppung.
Atopische Dermatitis im Jugend- und Erwachsenenalter:
- Prädilektionsstellen: Befall von Gelenkbeugen (Eczema flexuarium), Oberkörper, Stamm.
- Klinik: Lichenifikation, Dominanz der pruriginösen Effloreszenzen.
- Symptome: trockene Haut, ausgeprägter Juckreiz, feine Schuppung.
- 80% der Erkrankten haben ein erhöhtes IgE.
Sonder-/Minimalformen:
- Trockene, diskret schuppende Haut, evtl. Pigmentstörungen;
- münzförmig, trockene Ekzemherde;
- Ohrläppchen, Mundwinkelrhaghaden;
- Senkrechter Einriß an der Unterlippe;
- Lippenschuppung;
- Lidekzem;
- Ekzem um Nase, Mamitel, retroaurikulär, nuchal;
- Hand-/Fußekzem;
- krustig, juckende Ekzeme der Kopfhaut;
- Ekzem des weiblichen Genitals;
- nässende Ekzeme in den großen Körperfalten;
Atopische Dermatitis Therapie zu:
Atopische Dermatitis
Therapie
Atopische Dermatitis
Die therapeutischen Maßnahmen der atopischen Dermatitis umfassen folgendes:
Schema der Stufentherapie der Neurodermitisbehandlung [1]:
- Stufe 1 (trockene Haut): Topische Basistherapie: Hydratation der Haut (Versorgung der Haut mit Feuchtigkeit), Emollientien (machen die Haut geschmeidig); Vermeidung/Reduktion von Triggerfaktoren.
- Stufe 2 (leichtes Ekzem): siehe Stufe 1 + antipruriginöse (gegen Juckreiz wirkende) und antiseptische (keimtötende) Wirkstoffe, Klasse 1–2 topische Glucokortikosteroide und/oder topische Calcineurininhibitoren; UV-Therapie.
- Stufe 3 (moderates Ekzem): siehe Stufe 2 + Klasse 2–3 topische Glukokortikosteroide und/oder topische Calcineurininhibitoren.
- Stufe 4 (persistierendes, schweres Ekzem): siehe Stufe 3 + systemische immunmodulierende Therapie.
Allgemeine therapeutische Maßnahmen beim atopischen Ekzem:
- Neurodermitisschulung
- Anleitung zur Hautpflege
- Regulierung übermäßiger Hygiene
- gereifte, gegorene Nahrungsmittel meiden (Käsearten, Rohwurst, Sauerkraut, Wein, Bier, Konserven, Spinat, Tomaten, Fisch und Fischprodukte bei unsachgemäßer Kühlung, insbes. Makrele, Hering, Thunfisch, Sardellen, Sardine, Lachs)
- Meiden von Provokationsfaktoren: Irritation der Haut durch Textilien wie Wolle, falsche Hautreinigung, Tabakrauch, extreme Kälte und/oder Trockenheit, Schwüle, Hausstaubmilben etc.
- Meiden von psychischem Stress
- Berufsberatung bei Jugendlichen: keine Hautreizungen, kein feuchtes Milieu
- Hautschutz verwenden
Medikamentöse Therapie:
- Basistherapie: fette Salbengrundlagen auf trockener Haut, hydratisierende Öl-in-Wasser-Emulsionen bei weniger trockener Haut und Hautreinigung.
- topische Glukokortikosteroid-Therapie: Betamethason-Salbe 0,1% bei Befall von < 10% der Körperoberfläche, einmal bis zweimal täglich nur kurzfristig (über 5 bis 14 Tage) oder als Intervalltherapie einsetzten; oder Hydrocortison-Salbe 0,05%, bei Befall von < 10% der Körperoberfläche (nicht im Gesicht).
- bei schweren Verlaufsformen: intermittierende (1- bis 3-wöchige) topische Therapie mit Hydrocortisonacetat oder mit den Glukokortikosteroiden der Klasse II-III: Prednicarbat, Mometason (ein- bis max. zweimal täglich auf der betroffenen Stelle auftragen).
- topisch wirksame Calcineurininhibitoren (wenn lokale Glukokortikosteroide nicht einsetzbar sind z.B. im Gesicht-, Hals- oder Genitalbereich): Tacrolimus 0,03% (ab dem 3. Lebensjahr einsetzbar), Tacrolimus 0,1% (ab dem 17. Lebensjahr) oder Pimecrolimus 1% (in Form von Cremes oder Salben; ab dem 2. Lebensjahr auch bei Kindern zugelassen), bis zu 3 Wochen 2-mal täglich, dann 1-mal täglich (Tumorwarnung der FDA 2005!). Eine Kombination von Calcineurininhibitoren mit Phototherapie wird nicht empfohlen!
- Bei Zeichen einer Superinfektion zusätzlich topisch antiseptisch behandeln (Lösungen, Cremes).
- Bei deutlichen Zeichen der bakteriellen Superinfektion: systemische antibiotische Kurzzeittherapie (3-5 Tage) mit oralem Flucloxacillin (Standarddosierung: 2-4 g/Tag bei Erwachsenen bzw. 50 mg/kg/Tag bei Kindern, verteilt auf 4-6 Einzeldosen/Tag) oder Cephalosporin (Standarddosierung bei Erwachsenen: 2 x 250-500 mg (z.B. Cefuroxim) bzw. bei Kindern: 20-40 mg/kg/Tag).
- ggf. antimykotische Behandlung mit Itraconazol (Hartkapseln): 100 mg 1- bis 2-mal täglich über 2-4 Wochen.
- Zur Juckreizreduktion und Sedierung ggf. Begleitmedikation mit H1-Antihistaminika: topische Anwendung in Form von Gelen, Cremes, Sprays: bis zu 3-mal täglich dünn auf die betroffenen Hautarealen autragen und kurz einmassieren; Alternative: Dimentindenmaleat 1mg/ml Lösung, Dosierung: bei Kindern (1–8 Jahren) 3-mal täglich je 10–15 Tropfen, ab 9 Jahren je 20 Tropfen, bei Erwachsenen 3 mal täglich je 20 – 40 Tropfen; oder Dexchlorpheniraminhydrogenmaleat (Tabletten): Dosierung bei Erwachsenen: 3- bis 4-mal ½-1 Tbl. täglich; bei Kindern < 12 J.: 3- bis 4-mal ½ Tbl. täglich.
- Erwachsene mit schweren Formen evtl. systemische Gabe von Glukokortikosteroiden (kurzfristig als Stoßtherapie; 0,5-1mg/kg KG/Tag Prednisolon) oder längerfristige Therapie mit Immunsuppressiva: Ciclosporin A (2,5-5 mg/kg KG/Tag, ausschleichend 1 mg/kg KG/Tag), Azathioprin oder Mycophenolatmofetil.
Adjuvante Therapie:
- bei akutem schwerem Schub ggf. Phototherapie als Interventionstherapie (nicht für Kinder unter 12 empfohlen; Gefahr der Lichtalterung sowie kanzerogener Spätfolgen): UVA-, UVB-Licht oder 311nm-Licht, PUVA.
ggf. Psychotherapie
Fehlender Nutzennachweis:
- Antihistaminika: Cetirizin
- Antipruriginosa: Anaesthesulf
- Teerpräparate: Basiter
- Bufexemac: Parfenac
- Gamolensäure: Epogam
- Akupunktur
Gefährliche Zwischenfälle:
- Antihistaminika + systemische antimikrobielle Chemotherapie
Atopische Dermatitis Komplikationen zu:
Atopische Dermatitis
Komplikationen
Atopische Dermatitis
Bei der atopischen Dermatitis kommen folgende Komplikationen vor:
- Bakterielle Superinfektionen (Impetiginisierung), manchmal mit Lymphadenopathie.
- virale Infekte: Eczema herpeticatum, Dellwarzen, Verucae vulgares.
- Eindringen von Hefepilzen in die Haut durch die defekte Hautbarriere.
Atopische Dermatitis Zusatzhinweise zu:
Atopische Dermatitis
Zusatzhinweise
Atopische Dermatitis
Diagnosekriterien:
Hautpkriterien der atopischen Dermatitis:
- Juckreiz
- Chronizität
- Kratzeffloreszenzen
Nebenkriterien der atopischen Dermatitis:
- Familiäres Auftreten
- Asthma/Pollinosis
- Dermografismus albus
- trockene Haut
- Blässe
- Periorbitalschatten
- Ausdünnung der lateralen Brauen (Hertoghe-Zeichen)
- Doppelte Unerlidfalte (Dennie-Morgan-Falte)
Lokalisation der atopischen Dermatitis:
- Säuglinge: Gesicht, Unterarme, Unterschenkel
- Kleinkinder: Beugefalten
Atopische Dermatitis Literaturquellen zu:
Atopische Dermatitis
Literaturquellen
Atopische Dermatitis
- (2008) Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft - Leitlinie Neurodermitis
- (2009) Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft - Therapie des atopischen Ekzems mit Calcineurin-Inhibitoren
- (2007) Petres, Rompel - Operative Dermatologie, Lehrbuch und Atlas - Springer
- (2009) Rassner G - Dermatologie, Lehrbuch und Atlas - Urban & Fischer Verlag, Elsevier
- (2009) Fritsch P - Dermatologie und Venerologie für das Studium - Springer
- (2007) Altmeyer P - Dermatologische Differenzialdiagnose, Der Weg zur klinischen Diagnose - Springer
- (2005) Braun-Falco O, Plewig G, Wolff HH, Burgdorf WHC, Landthaler M - Dermatologie und Venerologie - Springer, Heidelberg
- (2003) Jung E, Moll I - Dermatologie - Thieme, Duale Reihe
- (2009) Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft - Vermutete Nahrungsmittelallergie bei atopischer Dermatitis
- (2007) Mayatepek E. - Pädiatrie - Elsevier, Urban & Fischer Verlag
- (2006) Friedrich Carl Sitzmann - Duale Reihe - Pädiatrie - Taschenbuch-Georg Thieme Verlag
- (2008) Kiess, Merkenschlager, Pfäffle, Siekmeyer - Therapie in der Kinder und Jugendmedizin - Elsevier, Urban & Fischer Verlag
- (2006) Axel Trautmann - Allergiediagnose, Allergietherapie - Thieme, Stuttgart
- (1979) Herz, G. - Hautkortikoide für die pädiatrische Dermatopherapie - tägl prax 1979; 20: 388-389
- (2007) Leinmüller, R.: Kinderdermatologie: Die atopische Prädisposition ist nur eine Seite der Medaille - Deutsches Ärzteblatt 2007;104: A-398
- (2003) Atopische Dermatitis (II) - sonstige therapeutische Maßnahmen - Arznei-telgramm 2003;34: 53-54
- (1993) Illing Stephan - Klinikleitfaden Pädiatrie - Elsevier, Urban & Fischer Verlag
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