Altersparkinsonoid
Synonyme: senile parkinsonism
Definition
Altersparkinsonoid
Das Altersparkinsonoid ist eine Form des Parkinson-Syndroms, die durch die physiologische Hirnatrophie im Alter in Erscheinung tritt und mit der typischen Symptomtrias Rigor, Tremor und Bradykinese einhergeht.
Altersparkinsonoid
Ätiologie
Altersparkinsonoid
Ursächlich für das Altersparkinsonoid sind eine oder einige der genannten Phänomene:
- Hirninvolution im Alter
- arteriosklerotische Gefäßveränderungen, v.a. zerebrovasluläre Erkrankungen (bei ca. 50% der Patienten)
- Deffizienz der Tyrosinhydroxylase [2] → Reduktion der Dopaminkonzentration in den Basalganglien → relatives Überwiegen der cholinergen Innervation
Altersparkinsonoid Epidemiologie zu:
Altersparkinsonoid
Epidemiologie
Altersparkinsonoid
Zu der Epidemiologie des Altersparkinsonoid gibt es keine genauen Daten.
- in der Regel Auftreten nach dem 70 Lebensjahr (ca. 25% der Patienten)
- Manifestation meist mit ca. 80 Jahren
- zerebrovaskuläre Vorerkrankungen bei ca. 50% der Patienten
- Prävalenz der idiopathischen Parkinson-Krankheit in Deutschland bei den Patienten > 65 Jahre 1.800/100.000
Altersparkinsonoid Differentialdiagnosen zu:
Altersparkinsonoid
Differentialdiagnosen
Altersparkinsonoid
- Alzheimer-Demenz
- Demenz vom Lewy - Körper - Typ
- Alzheimer-Krankheit
- Essentieller Tremor
- Medikamentös-toxisch induziertes Parkinsonsyndrom
- Idiopathische Parkinson-Krankheit
- Morbus Parkinson
Altersparkinsonoid Anamnese zu:
Altersparkinsonoid
Anamnese
Altersparkinsonoid
- Beginn/Verlauf
- Vorerkrankungen?
- Traumata?
- dementielle Entwicklung?
- Haltungsstörungen?
- Händezittern? In Ruhe ider bei Bewegung der Arme?
- Verschlechterung der Handschrift?
- Verhaltensauffälligkeiten?
- Medikamente - v.a. Neuroleptika, Lithium, Metoclopramid?
- Morbus Parkinson oder andere neurologische Erkrankungen in der Familie?
Altersparkinsonoid Diagnostik zu:
Altersparkinsonoid
Diagnostik
Altersparkinsonoid
Die eindeutige Diagnosestellung Altersparkinsonoid ist schwer auf Grund der Multimorbidität der geriatrischen Patienten.
Zur diagnostischen Abklärung des Altersparkinsonoid sind relevant:
- Anamnese
- klinische Untersuchung
- L-Dopa-Test → positiv bei klinischer Besserung nach URDPS um > 30%
- Labor (nur wenn Krankheitsbeginn < 50 Jahre): Coeruloplasmin i.S. und Kupferausscheidung im 24 h Urin
- CT und/oder MRT (Morphologie, Ausschluss von Normaldruckhydrocephalus)
-
PET mit [F18]Fluordopa (verminderte Aufnahme im Striatum)
- SPECT mit z.B. IBZM oder β-CIT (reduzirte Bindung des Liganden im Striatum)
- Tremorogramm zur Festellung eines unauffälligen Tremors oder als Therapiemonitoring [1]
Altersparkinsonoid Klinik zu:
Altersparkinsonoid
Klinik
Altersparkinsonoid
Das Altersparkinsonoid kann eine oder mehrere der folgenden Symptome zeigen:
- Frühsymptome meist unspezifisch, meist Schmerzen in Extremitäten
- Rigor*
- Tremor (meist jedoch kaum bemerkbar)
- Bradykinese*
- Zahnradphänomen
- kleinschrittiges Gangbild
- Beugung im Bereich der HWS und BWS
- Stimme wird leiser, heiser und monoton
- Mikrographie
- Start- und Umkehrschwierigkeiten
- organische Depression
- gleichgewichtserhaltende Reflexe sind gestört
- Hypomimie
- kognitive Störungen*
* diese Symptome kommen typischerweise im Alter vor, daher ist auf die anderen Symptome vermehrt zu achten!
Altersparkinsonoid Therapie zu:
Altersparkinsonoid
Therapie
Altersparkinsonoid
Die Therapie des Altersparkinsonoid ist relativ schwer auf Grund der Multimorbidität der Patienten und der schwer abzuschätzenden Responsivität auf die Medikamente.
medikamentöse Therapie:
- Beginn der Therapie rechtzeitig nach Diagnosestellung
- einschleichender Therapiebeginn
- individuelle Gestaltung der Therapie (Medikamente und Dosis) je nach Dominanz der Symptome und Ansprechen auf die Arzneistoffe
- allgemeiner Prinzip der Medikamntendosierung: so viel wie nötig, so wenig wie möglich!
- häufige Kontrollen sind erforderlich!
- keine evidenzbasierte Therapieempfehlungen
bei Patienten > 70 Jahren oder Multimorbidität:
Monotherapie mit Levodopa
- Gabe von peripheren Decarboxylasehemmer (Benserazid oderCarbiodopa)nicht notwendig wegen höheren Risikos für Neuropathien
- Einnahme ist empfehlenswert bei GI-Störungen oder schlechtem Ansprechen auf die L-Dopa-Monotherapie
CAVE: L-Dopa-Dosisanpassung bei Leber- und Niereninsuffizienz
- L-Dopa: Initialdosis 100 mg/d morgens, Steigerung um 100 mg jeden 4.-7. Tag, Erfahrungsdosis 500-2500 mg in 3-4 Gaben tgl.oder retardiert
bei Verschlechterung der Symptome oder Therapiekomplikationen:
zusätzliche Gabe folgender Medikamente möglich:
- MAO-B-Hemmer:
- Selegin: 5-10 mg/d
- Rasalgin: 1 mg/d
- Non-Ergot-Dopaminagonisten
- Ropinirol: anfangs 1 mg morgens, wöchentl. Dosissteigerung um 1 mg, ab 6 mg/d Steigerung um 1,5-3 mg; Erhaltungsdosis 3 x 3-9 mg/d (Erfahrungsdosis bis zu 40 mg/d) p.o. als Tabletten oder 6-24 mg/d als Retard-Tabletten (anfangs 2 mg/d, wöchentl. Dosissteigerung um 2 mg)
- Pramipexol: 1.Woche 3x0,088 mg/d, 2.Woche 3x0,18mg/d, 3.Woche 3x0,35 mg/d, Erhaltungsdosis 3 x 0,35-0,7 mg/d (Erfahrungsdosis bis zu 5 mg/d) p.o.
- Piribedil: Initialdosis 50 mg abends, Dosissteigerung um 50 mg alle 2 Wochen, Erhaltungsdosis 2-3 × 50 mg bis 100-50-100 mg p.o. (Erfahrungsdosis bis zu 300 mg/d)
- Rotigotin: initial 2 mg/24 h, wöchentliche Dosissteigerung um 2 mg, Erhaltungsdosis 4-8 mg/24 h als transdermales Pflaster (Erfahrungsdosis bis zu 40 mg/d)
- Anticholinergika: v.a. bei Ruhetremor indiziert
CAVE: Risiko einer Demenzentwicklung, Hypothese nicht wissenschaftlich belegt!
- Bornaprin: einschleichend bis zu 3 x 2-4 mg/d
- Biperiden: Initialdosis 2 mg/d, Erhaltungsdosis 6-12 mg/d, max. Dosis 16 mg/d
- Metixen: 1. Woche 3x2,5 mg, 2.Woche 5-2,5-2,5 mg, 3.Woche 5-5-2,5 mg, 4.Woche 3x5 mg/d, dann wöchentliche Steigerung um 2,5 mg/d bis zu 20-30 mg/d
- Trihexyphenidyl: initial 1 mg/d, Steigerung um 1 mg/d auf 6-16 mg/d
- NMDA-Antagonisten
Budipin - einschleichend bis zu 3 x 10-30 mg/d
Therapie des fortgeschrittenen Parkinson-Syndroms (Ultima ratio) - nur bei L-Dopa-Responsivität sinnvoll
- L-Dopa-Infusionstherapie (Duodopa-Pumpe), v.a. bei Therapiefluktuationen
- Subkutane Apomorphin-Therapie: 30 mg als Injektion s.c. oder Apomorphin-Dauertherapie mittels s.c.-Pumpe
- tiefe Hirnstimulation (tHS)
nichtmedikamentöse Therapie:
- Krankengymnastik - Evidenz nicht belegt
- Logopädie
- evtl. psychologische Betreuung
- diätische Maßahmen - proteinreiche Nahrung vermeiden, L-Dopa-Einnahme immer 1h vor und 2h nach dem Essen!
Altersparkinsonoid Komplikationen zu:
Altersparkinsonoid
Komplikationen
Altersparkinsonoid
Das Altersparkinsonoid ist eine langsam fortschreitende neurodegenrative Erkrankung und kann zu folgenden Komplikationen führen:
- Entwicklung von Demenz ca. 3-4 Jahren nach Diagnosestellung Altersparkinsonoid
- hohes Risiko von Arzneimittelnebenwirkungen
- On-Off-Therapiefluktuationen, Dyskinesien
- medikamentös induzierte Psychose und/oder Vehaltensstörungen, Impulskontrollstörungen
- Depression
- akinetische Krise
- malignes L-Dopa-Entzugssyndrom
Altersparkinsonoid Zusatzhinweise zu:
Altersparkinsonoid
Zusatzhinweise
Altersparkinsonoid
Prognose [3]
Das Fortschreiten des Altersparkinsonoids kann mit dem ersten Auftreten folgender Symptome in Verbindung gebracht werden. Das Auftreten dieser korreliert mit der mittleren Lebenserwartung der Patienten:
- Halluzinationen - ca. 5 Jahre vor dem Tod
- Stürzen - ca. 4 Jahre vor dem Tod
- Demenz - ca. 3 Jahre vor dem Tod
- Pflegebedürftigkeit - ca. 3 Jahre vor dem Tod
Die Progredienz des Altersparkinsonoids kann anhand der Erhöhung der Zahl der Lewy-Körperchen bestätigt werden [3].
Altersparkinsonoid Literaturquellen zu:
Altersparkinsonoid
Literaturquellen
Altersparkinsonoid
- (1981) Griffiths PA, Dalziel JA, Sinclair KK - Tremor and senile parkinsonism - Journal of Gerontologie 36(2) - 170-5
- (1982) Birkmayer W - Senile parkinsonism: ist motor and psychological defects - Aktuelle Gerontologie Sept 1982, 12(5): 166-7
- (2010) Kempster P, O'Sullivan S, Holton J, Revesz T - Relationships between age and late progression of Parkinson's disease: a clinico-pathological study - Brain 2010, 133, 1755-1762
- (2008) Parkinson: Diagnostik und Therapie - Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie - http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/030-010.htm >
- (2007) Masuhr K.F.,Neumann M - Duale Reihe Neurologie - Thieme Verlag
- (2007) Schwarz J, Storch A - Parkinson-Syndrome: Grundlagen, Diagnostik, Therapie - W. Kohlhammer Verlag
- (2007) Schwarz J, Storch A - Parkinson-Syndrome: Grundlagen, Diagnostik, Therapie - W. Kohlhammer Verlag
- (2006) Poeck, Hacke, - Neurologie - Springer, Berlin
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Weiterführende Links
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